Vom Nehmen und Bekommen

Soeben hat die Sebapharma GmbH & Co. KG in einer Radiowerbung darauf hingewiesen, dass das häufige Desinfizieren der Hände in der Corona Krise die Haut strapaziert und rät zur Nutzung ihres entsprechendes Hautpflegeproduktes. Diese Fürsorge für den Nächsten lässt kurz mein Herz vor Gefühlen überborden, die wo man schwer beschreiben kann (Anm.d.Red.: Kein grammatikalischer Schluckauf meinerseits, sondern ein Zitat vom schwäbischen ´Beinahe-Dann-Doch-Nicht-Hertha-Retter´).

Überhaupt bieten in diesen Tagen nicht nur Unternehmen, sondern auch viele unehrenamtlich arbeitende Menschen zwar selbst-, wenn auch nicht ganz endgeldlos ihre Dienste an. Nehmen wir beispielsweise die vermummten Nasen, die im Lippischen an Türen klingeln, sich als Angestellte des Gesundheitsamtes ausgeben und für hundertfünfzig Euro angebliche Corona Tests durch-führen wollen. Die Bevölkerung ist aufgefordert, die Leute nicht hereinzulassen und die Polizei zu rufen, denn es handele sich um Betrüger. Das hätte ich nicht gedacht. Betrüger, keine Altruisten? 

In jedem anderen Teil Nordrhein-Westfalens hätte ich vermutet, dass es sich bei den Maskierten um Angehörige osteuropäischer Banden handelt und hätte empört nach der Exekutive gerufen. Es ist allerdings im Kreis Lippe passiert. Wer diesen Menschenschlag kennt, weiß, man kann beruhigt sein. Es handelt sich nicht um organisiertes Verbrechen. Dort, wo schon das Kochbuch mit den Worten ´man leihe sich zwei Eier´ beginnt, ist davon aus-zugehen, dass nur Willi ertappt wurde, bei dem banalen Versuch seinem Nachbarn Ernst einen kleinen Eurobetrag aus der Rippe zu leiern.

 Während der Landkreis Lippe mit Kleinkriminellen zu kämpfen hat, spielen sich anderorts wirkliche Tragödien ab und zwar dort, wo doch eigentlich manchen Menschen, zumindest nach eigenen Beteuerungen, das größte Glück im Leben zu Teil werden sollte: Im Kreißsaal!

Zur Ansteckungsprävention verbieten immer mehr Krankenhäuser werdenden Vätern der Geburt ihres Nachwuchses beizuwohnen. 

War es in der Generation unserer Eltern noch absolut tabu für einen Mann vor dem Loch zu warten, so ist heut-zutage die Abwesenheit des Erzeugers bei der Niederkunft eine probate Erklärung für spätere charakterliche Defizite des Nachwuchses.

Nun sollte man meinen, die Reduzierung, der bei Geburt anwesenden Personen, auf das absolute Minimum wäre ein vollkommen nachvollziehbarer und konsequenter Schritt, der eigentlich keiner weiteren Diskussion bedurft hätte. Doch hier zeigt sich, wie weit die Toleranz und Solidarität des Einzelnen in Krisenzeiten geht. Genau bis zur eigenen Komfortzone! 

Es kann doch nicht angehen, dass die werdenden Eltern nun den entscheidenden Moment nicht gemeinsam erleben dürfen, nur weil es gerade mal gilt eine Seuche einzu-dämmen. Seit der erfolgreichen Besteigung haben die werdenden Eltern jeden Hechelkurs, Ultraschalltermin und Geburtssitzkreis gemeinsam besucht, um schließlich zufrieden feststellen zu können, dass auch der glückliche Vater eindeutige Anzeichen einer Scheinschwangerschaft zeigte. Jetzt auf der Zielgeraden soll es dem stolzen Vater verwehrt werden seine Kenntnisse anzuwenden, die er sich so hart im Volkshochschulkurs „Gebären für Männer“ erworben hat? Nur weil ein paar Alte und Kranke mit einer lächerlich niedrigen Wahrscheinlichkeit von sieben Prozent abnippeln könnten? 

Blanke Panik macht sich breit im Lager des Deutschen Durchschnittspärchens, sind doch Hochzeit und Geburt des Nachwuchses die beiden einzigen Großereignisse im sonst so totlangweiligen Rumvegetieren.