The day after

Der Finanzmanager von Schalke 04 hat es in einem Interview gesagt: ´Die Leute fragen uns, wann wir wieder Fußball spielen´. Es gibt sicher viele Menschen, die sich diese Frage stellten, allerdings auch schon lange vor der Corona Krise. Ein Nachrichtensender nahm das natürlich sofort zum Anlass eine, wie immer repräsentative und in keiner Weise regierungsfreundliche Umfrage in der Gelsenkirchener Fußgängerzone zu machen. Was soll ich sagen? In diesem Hort der Hochintellektualität waren alle Befragten der Meinung, dass es nicht wichtig ist, wann der Fußball wieder anfängt, sondern erst die Pandemie bekämpft werden muss. Es fand sich keiner, der wenigstens für Geisterspiele wäre oder gar despektierlich verlangt hätte, dass überbezahlte Profis als Nichtrisikogruppe gefälligst mit der Möglichkeit einer Ansteckung leben müssten. Auf Schalke, echt jetzt? Langsam ist diese Meinungsmache einfach nur noch lächerlich. Ich würde gerne mal die Outtakes sehen. Das Nachrichtenteam hat sicher Stunden gebraucht, um die zwei systemkonformen Ochsen zu finden und wenn es richtig gut gelaufen ist, hat der Reporter noch eine aufs Maul bekommen.

 Trotzdem ist die Frage nach dem Bundesligastart nicht unwichtig. Nicht nur weil neben den überbezahlten Profis auch noch über 50.000 andere in diesem Geschäft ihren Lebensunterhalt verdienen, sondern weil es sich um den beliebtesten Sport in Deutschland handelt. Wenn die Bundesregierung an ihrer desaströsen Linie festhalten will, sollte sie beim eingesperrten Volk langsam für das entsprechende Unterhaltungsprogramm sorgen. Der Deutsche ist leidensfähiger als beispielsweise der Franzose, Der geht umgehend und gelbbewestet wochenlang auf die Straße, nur weil Macron gewagt hat über die Erhöhung des Renteneintrittsalters nachzudenken, das zurzeit knapp jenseits der Pubertät liegt. Ich habe mich schon oft gefragt, was bei uns passieren muss, dass mal mehr auf die Straße gehen als ein paar IG Metaller mit Trillerpfeifen. Die Antwort könnte schneller kommen als mir lieb ist, und zwar genau dann, wenn die Einmalzahlungen aufgebraucht sind und die ersten Entlassungen und Insolvenzen anstehen. Dann dürfte es den Medien nicht mehr gelingen, jeden Tag ein paar kamerageile Passanten dazu zu bringen, dem Rest des Volkes eine überwältigende Zustimmung vorzugaukeln. Kurz gesagt, die Politik sollte den Bogen nicht überspannen.

  Aufgereiht wie an der Perlenschnur durften heute alle Ministerpräsidenten nacheinander die lächerlich kleinen Lockerungsmaßnahmen vom Vorabend für ihr jeweiliges Bundesland entsprechend karrierewirksam anpassen, umbenennen und/oder neu terminieren. In der ersten Pressekonferenz des Tages hat der saarländische Ministerpräsident heute Morgen zu all seinen Coronerinnen und Coronern gesprochen. Zwar wird im Großen und Ganzen die Maßgabe des Bundes umgesetzt, aber die sind an vielen Stellen ohnehin fragwürdig. Kita und Grundschulen lassen die Landeschefs zu, da man den Kleinen die Abstandsregeln nicht beibringen kann. Es ist aber offensichtlich kein Problem für sie, Erwachsene wie Kinder zu behandeln und ihnen akribisch geplante Maßnahmen vorzuschreiben.

Insbesondere will mir diese Quadratmeterbegrenzung nicht in den Kopf, der die Öffnung eines Ladens von seiner Fläche abhängig macht. Was ist an einem vollgestopften 300m2 Laden besser, als an einem 3000m2 großen Möbelgeschäft? Ich habe noch keinen Möbelladen gesehen, in dem man nicht den Mindestabstand einhalten konnte, außer vielleicht Ikea wenn Knut vorbeischaut. Es gibt auch keine Erkenntnisse darüber, dass das Virus lieber XXL Lutz Kunden anfällt als welche von Hornbach. Selbst wenn diese unmotivierte Flächenbegrenzung Sinn machen würde, wieso kann ein Ladenbesitzer nicht einfach die überschüssige Fläche sperren? Wirrer geht es nicht mehr. Über die Frage, wieso der kleine Boutiquebesitzer überleben darf, aber mein Lieblingsitaliener an der Ecke vor die Wand fahren soll, möchte ich heute nicht mehr nachdenken.

Neu, nicht nur im Saarland, ist auch, dass man neben Arzt oder Tierarzt nun auch wegen einem Besuch beim Psychotherapeuten vor die Tür darf. Ziemlich zynische Lockerung, wie ich finde.

Gerade im Saarland wird man sich einer großen Gefahr bewusst, die der Wirtschaft drohen könnte. Einer der größten Arbeitgeber im Saarland sind die Ford Werke in Saarlouis, mit den daran hängenden Zulieferern in der Umgebung vielleicht sogar der Größte. Auch dort stehen die Bänder still. Seit Jahren wird hier, wie überall in der Automobilindustrie über Überkapazitäten geklagt und/oder über die Verlegung der Produktion in Billiglohnländer nachgedacht. Wenn dort die Lichter ausgehen, könnte ein Dominoeffekt entstehen und man kann früher oder später einen Parkplatz aus dem Saarland machen. Ich sehe hier die Gefahr, dass die kommende Rezession Konzernen, die mit ähnlichen Überlegungen schwanger gehen, eine willkommene Begründung liefern, solche Werke ohne großen Widerstand zu schließen. Nimmt man dann noch das Sterben von klein- und mittelständischen Betrieben inklusive einer chinesischen Einkaufstour hinzu, sieht es mit der deutschen Wirtschaft ziemlich übel aus.

In den weiteren Pressekonferenzen aus Bayern und Baden-Württemberg habe ich viel Freestyle bei der Interpretation der Bundesvorgaben gesehen, aber wie zu erwarten gab es keine größeren Überraschungen. Warum ein Bayer sich im Baumarkt offensichtlich leichter anstecken kann, als der Rest der Republik habe ich nie verstanden, aber der Söder Marcus zieht die Nummer in jedem Fall weiter durch und macht aus der Wiedereröffnung und dem Gleichziehen mit Restdeutschland eine ganz große Nummer. Was an Zoos und botanischen Gärten infektiöser ist als an einem schnöden Stadtpark, bleibt das Geheimnis von Winfried Kretschmann. Wahrscheinlich fürchtet man, dass Menschenaffen nicht in die Armbeuge husten. In jedem Fall können die überforderten Eltern erst mal die Kinderbespaßung mit gefangenen Tieren vergessen.

Laschet kam gar nicht selber, sondern hat in NRW seine Ministerlakaien vorgeschickt. Auch nichts Berühmtes, bis auf so erwartbare Detailunterschiede, wie zum Beispiel, die Öffnung von Möbelfachgeschäften und Babymärkten, größer 800m2, mit denen man sich von den Bayern absetzen will. Allerdings hat sich Gesundheitsminister Laumann zu folgender Aussage hinreißen lassen: `703 Bürger sind mit Corona gestorben. Ob an oder mit Corona das weiß man ja nicht…´. Dafür gibt es bestimmt noch Haue. Der Hund mit den fragwürdigen Corona Todeszahlen war doch gerade erst eingeschlafen. Meine letzte Pressekonferenz, bevor ich frustriert eine Bierflasche in den Flatscreen gefeuert habe, war Hessen mit Ministerpräsi Bouffier. Gerade noch mit Jens Spahn beim Gruppenkuscheln im überfüllten Fahrstuhl heute wieder ganz der besorgte Landesvater. Obwohl ich bisher davon ausging, dass er keine Kanzlerambitionen hat, die Extrawürste waren fast noch größer als bei Söder und Laschet. Die Hessen lassen die Schule sogar noch länger zu, um die Schutzmaßnahmen besser planen und umsetzen zu können. Schon zu meiner Zeit war das hessische Abitur vom Anspruch her irgendwo zwischen Waldorfschulenaufnahmeprüfung und der ´RTL Formel 1 Multiple Choice Preisfrage´: Wie heißt ein ehemaliger deutscher Formel 1 Fahrer? A – Mars, B – Snickers? Ich denke, die eine Woche länger schulfrei macht da den Kohl auch nicht mehr fett. Bei den Öffnungen des Einzelhandels gilt ab Montag ebenfalls die unsinnige 800m2 Regelung, allerdings wird die Kundenzahl auf 1 Kunde pro 20m2 begrenzt.

Man kann wirklich von Glück reden, dass wir nicht reisen dürfen. Kein normaler Mensch kann sich alle Regeln für jedes Bundesland merken. Da geht man in NRW ungestraft in einen Laden und in Hessen hat man sofort 200€ Strafe auf der Uhr, weil schon zu viele Leute drin waren.

Ach, Außenwicht Heiko Maas hat auch noch eine Pressenkonferenz gegeben. Ich habe weniger verstanden von dem was er sagen wollte als vom Quatsch, den der US Präsi in seinen Auftritten so von sich gibt… und der redet englisch. Wird also wie üblich nicht so wichtig gewesen sein.

Nach neuesten Zahlen wird die Wirtschaft weltweit um über 7% in diesem Jahr sinken und in Deutschland ist eine Wirtschaftskrise zu erwarten, die in der Größenordnung von der in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts liegen könnte. Die hat uns übrigens den Herrn mit dem lächerlichen Bärtchen beschert. Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Sollte die Regierung beim Durchziehen ihres Stiefels auch mal drüber nachdenken.

Aber trotz des erneuten Schlages ins Kontor, finden sich immer noch ein paar Wirtschaftsexperten, die der ganzen Katastrophe etwas Gutes abgewinnen können. Wenn böse Umweltverschmutzer pleitegehen, muss das auch als Chance gesehen werden. So soll der Restart nach der Krise genutzt werden, um mit umweltfreundlichen Technologien und Produkten die Weltmarktführerschaft zu übernehmen. Keine Ahnung wie tief meine Leser in der Materie drinstecken, aber ich habe in eines schmerzlich erkennen müssen: Investitionen in solche grünen Technologien, wie Wasserstoff, eFuels und Brennstoffzellen, finden nur statt, wenn unter dem Strich eine annehmbare ´Schwarze Zahl´ steht. Hätte es damals keine finanziellen Anreize gegeben, würde heute noch kein Windrad stehen. Alles andere sind Träumereien grüner Politiker und uninformierter `Fridays for Future´ Knilchen. Wo aber sollen die zig Milliarden an Fördergeldern nach der Corona Krise herkommen? Ich bin mal gespannt, was in den betreffenden Bundesländern von den zugeteilten Milliarden zur Abfederung des Kohleausstiegs letztendlich noch übrigbleiben wird. Welche Staaten dann überhaupt das Geld haben werden, um diese tollen grünen Technologien des Exportweltmeisters Deutschland zu kaufen, bleibt abzuwarten.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Regierung gestern von einer Schutzmaskenpflicht für die Bevölkerung abgesehen und nur eine Empfehlung für ÖNV und Läden abgegeben hat, geht die Diskussion ungebrochen weiter. ´Man soll das Fell des Bären erst zerteilen, wenn er erlegt wurde´ lautet die altbekannte Weisheit und so dürfte auch die Strategie der Bundesregierung ausgesehen haben. Wenn man noch nicht einmal für den medizinischen Sektor ausreichend Material zur Verfügung stellen kann, sollte man sich im Hinblick auf einen Einsatz im öffentlichen Leben eher bedeckt halten (Anm.d.Red.: Auch wenn sich die Regierung im Moment offensichtlich alles erlauben kann, ich gehe davon aus , dass eine Maskenpflicht nicht an einer medizinischen Fragestellung gescheitert ist, sondern einfach nur an dem rechtlichen Problem, dass man nichts vorschreiben kann, was nicht verfügbar ist).

Leider greifen alle immer wieder das Thema auf, obwohl eigentlich auch der letzte Hinterwäldler inzwischen begriffen haben dürfte, dass seine putzig aus einer ehemaligen Unterhose zusammengeklöppelte Maskenattrappe im Gesicht nur bedingt als Eigenschutz vor Infektion dienen kann. Besonders, wenn sie nicht nach jedem Gebrauch oder Durchfeuchtung gewechselt oder wenigstens gewaschen wird. Selbst der Sinn für Infizierte als Schutz der Umwelt ist nicht final bewiesen. Es bleibt zu hoffen, dass die Maske in zwei bis drei Wochen, wenn die Infektionszahlen sicherlich wieder steigen, nicht als nächstes ultimatives Mittel der Corona Bekämpfung herangezogen wird. Allerdings lässt die nicht enden wollende Diskussion um ein Gut, dass eigentlich in der notwendigen Qualität gar nicht verfügbar ist, Böses erahnen.

Apropos nächste Stufe der Besinnlichkeit, was ist eigentlich aus der Tracking App geworden? Noch vor Ostern als die ultimative Waffe bei möglichen Lockerungsmaßnahmen angekündigt, wurde sie von keinem Politiker mehr erwähnt. Die Computernerds haben wohl ein paar Programmierprobleme.

 

Eine Reportage beendete heute meinen Tag in angemessener Weise. Ein Blick durch die Welt, welche Länder, welche Maßnahmen zur Corona Bekämpfung ergriffen haben und welche Erfolge dort zu verzeichnen sind oder eben nicht. Schweden war übrigens nicht dabei.