Luftnummern

Wenn in diesen Corona Wochen Schutzmasken mit dem Flugzeug aus China nach Deutschland transportiert werden, machen Bundesregierung und Medien daraus eine logistische Meisterleistung, die die Berliner Luftbrücke seinerzeit als kleinen Sonntagsausflug erscheinen lässt. Dazu passt auch, dass diesmal zwei Antonov Schwerlastflieger dafür genutzt wurden, um 18 Mio. FFP2-Masken zum Flughafen Halle-Leipzig zu bringen. Normalerweise chartert die Bundeswehr diese Flieger, um schweres Gerät durch die Welt zu fliegen, in erster Linie weil ihre eigenen Flieger meist defekt irgendwo rumstehen. Ich habe die Antonov mal für ein Projekt gemietet, um einen tonnenschweren Generator nach Südafrika zu transportieren, aber für Schutzmasken?. So gesehen dürfte die Nutzung dieses riesen Trümmers mehr Show, denn notwendige Maßnahme gewesen sein. 10 Mio. Masken wiegen im Verhältnis zu ihrem Volumen einen Fliegenschiss und mit dem Verbrauch der 6 Triebwerke der Antonov kann man auch locker 2-3 moderne Airbus nach China schicken. Die Lufthansa hätte Kapazitäten frei gehabt und gehört demnächst wahrscheinlich eh zum Teil dem Bund. Von den Charterkosten will ich gar nicht erst reden. Da hätte man jeder einzelnen Kiste mit Masken ein Business Class Ticket kaufen können.

Wie schon bei dem peinlichen Auftritt von Marcus Söder, mit Handauflegen auf Schutzmaskenpaletten, auf dem Münchner Flughafen vor ein paar Wochen, wurde auch dieser Event entsprechend groß aufgezogen. Diesmal wurde, zur Selbstinszenierung der Regierung, Verteidigungsministerin Annegret Kampf-Knarrenbauer aufgefahren. Auch sie stellte sich brav mit Kennerblick vor die Paletten und ließ sich von irgendeinem Untergebenen belanglosen Schwachsinn erzählen. Das zwangsläufige Statement, um die pressewirksame Anwesenheit wenigstens halbwegs zu legitimieren war erwartungsgemäß nichtssagend und kann getrost in den Nebeln der Geschichte verschwinden. Bei so viel sinnlosem Tamtam bleibt einem das Lachen über die vergangenen Selbstdarstellungsorgien von Trump, Erdogan, Putin und Kim Jong Un nachträglich im Halse stecken.

Umso ärgerlicher war es, dass wegen dieser PR Maßnahme alle, angeblich so alternativlosen Sicherheitsmaßnahmen kurzerhand über Bord geworfen wurden. Da werden hunderte von Reportern ohne Schutzmaske auf Flugfeld gelassen, um jedes noch so unwichtige Detail eines stinknormalen Frachtfluges einzufangen. Auf der Entladerampe drängte sich schließlich eine Menschentraube, als würde jeden Moment Beyoncé splitternackt aus dem Inneren des Fliegers auftauchen und die deutsche Nationalhymne schmettern. Dabei gab es da nur ein paar bekackte Pappkartons zu fotografieren. Wenn man seinem Volk schon jede Menge Abstandsregeln und Hygienevorschriften aufdrückt, sollten wenigstens die eigenen Auftritte in der Öffentlichkeit entsprechend organisiert werden. Von wegen Vorbildfunktion und so. Reportagen, die einen solchen Grad an Dilettantismus dokumentieren wurden noch vor einer Woche eine Stunde später aus den Nachrichten und dem Internet getilgt. Inzwischen musste die Verteidigungsministerin, da sich der Wind zur Coronapolitik der Regierung ein wenig gedreht hat, den Rest des Tages Häme und Kritik über sich ergehen lassen. Aber das ist das Kreuz von Frau Kramp-Karrenbauer: Immer zur falschen Zeit am falschen Platz.

Derweil geht die Diskussion um die Lockerungsmaßnahmen vom letzten Montag weiter, zumal in den nächsten Tagen aufgrund einer Inkubationszeit von bis zu zwei Wochen die Infektionszahlen langsam wieder ansteigen dürften. Wenn man Sonntagabend so richtig schlechte Laune bekommen will, schaltet man am besten Anne Will ein. Man ärgert sich die ganze Zeit über die Meinung von mindestens 50% der Gäste und ist trotzdem am Ende so schlau wie vor der Sendung. Gestern war wieder so ein Abend. Wie immer diskutieren zwei Interessengruppen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und/oder Politik mit extrem kontroversen Ansichten über ein Thema, mit dem in naher Zukunft dann eine dritte Interessengruppe beglückt werden soll. Würde jedem Zuschauer eigentlich komplett am Allerwertesten vorbeigehen, aber leider sind wir besagte dritte Gruppe und dürfen darüber hinaus auch nicht mitdiskutieren. So müssen wir uns schon hilflos anhören, dass unsere Dieselfahrzeuge demnächst nichts mehr wert sind, die Vermögenssteuer kommen soll oder wir noch jede Menge Facharbeiter aus Nordafrika verkraften können. Im Grunde genommen soll die Talk Show den Zuschauer mit möglichen Extremszenarien nur soweit frustrieren, dass er dann freudig überrascht ist, wenn es letztendlich doch nicht ganz so schlimm kommt.

Gestern ging es dann, wie schon erwähnt, um Sinn und Unsinn von Lockerungsmaßnahmen und so trafen die unterschiedlichen Meinungen mal wieder ungebremst aufeinander. Das Volk, das wie schon erwähnt nicht gefragt wird, möchte einfach wieder ein normales Leben (Anm.d.Red.: Ich bin mit meiner Forderung nach einer kontrollierten Durchseuchung auch eher hier anzusiedeln und sitze aber ebenfalls hilflos vor der Glotze). Die zweite Interessengruppe, nennen wir sie mal Extrem-Virologen, gestern mal wieder vertreten durch Karl Lauterbach, würde am liebsten ganz Deutschland bis zu einer Impfstoffentwicklung runterfahren, um die zweite Welle zu verhindern. Bleiben noch die Politiker: Nun ja, die wollen, wie schon des Öfteren erwähnt, einfach nur so agieren, dass ihnen der politische Gegner hinterher nicht an den Karren fahren kann und planen dementsprechend für die nächsten Wochen ein Infektionsraten-basiertes Vor- und Zurückfahren des öffentlichen Lebens. Beraten werden sie dabei von den gemäßigten Virologen, die auf Basis vieler Kennwerte versuchen den Infektionsverlauf vorherzusagen und so der Politik Handlungsempfehlungen geben zu können. Auch wenn man die Intensionen und auch teilweise die Argumente der einzelnen Interessengruppen versteht, muss man sich immer vor Augen führen, dass die Standpunkte nicht miteinander vereinbar sind und alle für sich ein hohes Risiko haben in ein Desaster zu laufen. Wie üblich bei Anne Will störte dieses, nicht ganz unwichtige Detail jedoch keinen der Gäste.

Kommen wir zunächst zu den Extrem-Virologen mit ihrem Wunsch das Virus jetzt auszutrocknen und so eine zweite Welle spätestens in der zweiten Jahreshälfte zu verhindern. Mit anderen Worten, Shutdown oder besser noch Hausarrest auf unbestimmte Zeit. Verkraftet weder die Wirtschaft noch das Gesundheitssystem, das beim Warten auf Corona langsam aber sicher auch finanzielle Problem bekommt. Was nützt es, wenn die Leute heute nicht Corona-bedingt ins Nirvana reiten, aber einige Zeit später, weil sie sich pleite und depressiv von Häusern stürzen oder an nicht diagnostizierten Krankheiten sterben. Vorsorgeuntersuchungen finden kaum noch statt und es gibt zahlreiche Berichte über Menschen, die sich trotz ernstlicher Erkrankungen, wie Schlaganfällen oder Herzinfarkten aus Angst vor Ansteckung nicht zu den Kliniken und Ärzten trauen. Offensichtlich werden sogar Mammografien zurzeit nicht durchgeführt, obwohl Brustkrebs Todesursache Nr. 1 bei Frauen ist. Ich möchte nicht zynisch klingen, aber ist es moralisch eine 35-jährige Frau an nicht diagnostiziertem Brustkrebs sterben zu lassen, um einen übergewichtigen Diabetiker vor Corona schützen zu können? Die Menschheit vor dem Virus beschützen, koste was es wolle. Der Tunnelblick, den Teile der Wissenschaft bei der Bekämpfung des Virus an den Tag legen, hat ein wenig etwas von der Art, wie Greta Thunberg die Umwelt retten will. Nur das Ziel ist wichtig. Kollateralschäden entlang des Weges sind akzeptabel. Nun ist das Verhalten von Zopf Greta mit ihrer Krankheit zu entschuldigen, Herr Lauterbach ist einfach nur unerträglich in seiner Ignoranz.

So klar, aber wenig praktikabel der extrem wissenschaftliche Ansatz ist, so risikobehaftet ist der politische, denn er basiert auf einem Haufen Kennwerte, von denen man leider nicht weiß, wie aussagekräftig sie sind. Das liegt nicht nur an der oft zitierten Dunkelziffer bei der Infektionszahl, sondern schlicht und einfach daran, dass man nicht weiß, ob die gewählten Kennwerte überhaupt hilfreich für eine effektive Epidemiebekämpfung sind. Der Ansatz ´Flatten the curve´ wurde noch nie praktiziert und hat somit keine Erfahrungswerte aus der Vergangenheit. Bisher wurden Virusinfektionen wie die Influenza laufen gelassen, bis man einen Impfstoff gefunden hatte oder eine Herdenimmunität entstanden ist. Je nachdem, was zuerst passiert ist (Anm.d.Red.: Da die Durchseuchung meistens schneller geht und körpereigene Immunisierung aufgrund des immunologischen Gedächtnisses noch dazu wirkungsvoller gegen mögliche Mutationen ist, hat sich die Wissenschaft in den letzten Jahren auf lukrativere Forschungsgebiete verlagert, was in der aktuellen Situation auch nicht von Vorteil war). Alle Parteien, ob `Minimal- oder Maximal Lockerer´ agieren somit nach dem Prinzip Hoffnung. Keiner weiß, wie sich die Neuinfektionen in den nächsten Tagen und Wochen entwickeln werden, aber alle haben ein echtes Problem, wenn die, von den Experten erdachten Indikatoren in die falsche Richtung ausschlagen sollten. Ein erneuter Shutdown würde Volk, Wirtschaft, Volkswirtschaft, Krankenkassen und was weiß ich noch den Rest geben. Kann keine Partei wollen, die Führungsambitionen hat.  Ein Ignorieren der Indikatoren und Beibehalten des Lockerungskurses bringt dagegen auch nur Verdruss.

Variante 1: Gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, dass das Gesundheitssystem je in Gefahr war zu überlasten, würde es nun, nur halt fünf Wochen später, selbiges tun. Man hätte Tote zu verantworten und fünf Wochen sinnlos die Wirtschaft ruiniert.

Variante 2: Noch schlimmer wäre allerdings, das Gesundheitssystem würde trotz steigender Infektionszahlen nicht überlasten. Dann hätte man nur sinnlos die Wirtschaft ruiniert.

Beides Varianten, die keine Partei wollen kann, die Führungsambitionen hat.

Beide Lager, Virologen wie Politiker, haben jedoch gemein, dass ihnen vor lauter Gesundheitsschutz der Bevölkerung die zwischenmenschliche Komponente abgeht. Es ist nicht akzeptabel alte und/oder hilfsbedürftige Menschen, die nicht mehr allein vor die Tür gehen können, einfach auf unbestimmte Zeit einzusperren und von ihren Angehörigen fernzuhalten, nur um sie als Risikogruppe, angeblich in ihrem Namen vor Corona zu retten. Wäre ich in dieser Situation, würde ich es vorziehen von einem Verwandten im Rollstuhl vor die Tür geschoben zu werden und das Leben trotz eines Infektionsrisikos zu genießen. Einsam in einem Zimmer dagegen auf den Tod oder einen Impfstoff zu warten erscheint mir wenig verlockend. Hinzu kommt, wer sich im Moment als Insasse in Alten- und Pflegeheimen  mit Corona infiziert, wird oft ungefragt ins Krankenhaus gekarrt, um höchstwahrscheinlich im Koma mit einem Schlauch im Hals auf der Intensivstation zu enden. Mitspracherecht geht gegen null. Hier wären wir wieder bei Wolfgang Schäuble, der ungefähr das gesagt hat, was ich schon seit einiger Zeit denke: Wann haben wir aufgehört den Tod als Teil des Lebens zu betrachten und in Würde zu sterben?

Beide Fraktionen, Wissenschaft wie Politik erklärten gestern bei Anne Will, wie sie, mit einer minimalen Durchseuchung der Bevölkerung, die Zeit bis zur Entwicklung eines Impfstoffes überbrücken wollen. Der Weg der Politik wird es letzten Endes sein und er wird zu Problemen führen. Ich bin weniger auf das gespannt, was in den nächsten Tagen und Wochen passiert, als vielmehr darauf, wie sich die Politik ihre Entscheidungen so hinredet, dass sie am Ende wieder alternativlos erscheinen.

 

Dann wurde heute noch die Maskenpflicht im ÖNV und Einzelhandel fast deutschlandweit eingeführt. Ich habe mir einen Schal umgebunden. Ich hasse basteln und wenn der Staat nicht fähig ist, entsprechende Masken zur Verfügung zu stellen, werde ich mir bestimmt keine selber zusammentackern. Ähnlich scheint es vielen Menschen zu gehen, zumindest war unter den Schutzmasken dumpfes Gestöhne und Gefluche zu hören. Was eigentlich verwundert, denn gemäß Umfragen der Nachrichtensender lag die Akzeptanz vorige Woche noch bei sagenhaften 80%. Ich habe dann mal wieder eine, meiner berühmten, repräsentativen Umfragen gemacht. Zwei Verkäuferinnen im Baumarkt, den Besitzer eines kleinen Fahrradgeschäftes, die Verkäuferin und zwei Kunden an der Rostwurstbude, ein Autohändler sowie drei Kunden in der Schlange vor dem Supermarkt wurden natürlich vollkommen neutral befragt, was sie vom Mundschutz halten. Das Ergebnis war überraschenderweise komplett abweichend zu den Medien: 20% finden den Mundschutz sinnvoll, 50% machen es, weil sie es müssen, aber nicht, weil sie es für sinnvoll halten, 20% waren sichtlich genervt, weil Atemnot und 10% wollten der Regierung vor den Reichstag einen großen Haufen…aber lassen wir das!