Flach zugespielt

Berlin ist gerade im Mittelpunkt des Interesses. Natürlich zunächst einmal wegen der heute gelaufenen Debatte zwischen Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder hinsichtlich weiterer geplanter Lockerungen. Eigentlich hatte die Bundeskanzlerin nach dem letzten Treffen ein gemeinsames und bedachtes Vorgehen angekündigt. Dank diverser eigener Interessen der Ministerpräsidenten war dieses Vorhaben erwartungsgemäß glorreich gescheitert.  Von gemeinsam konnte nicht die Rede sein. In den jeweiligen Bundesländern war bei den Vorab-Lockerungsmaßnahmen von ´übervorsichtig´ bis ´5 Mann Party´ alles dabei. Irgendwie hat Frau Merkel heute alle wieder eingefangen und sogar verhindert dabei ihr Gesicht komplett zu verlieren, indem sie die Oberbegriffe bei den Lockerungen definiert, die Details aber in Länderhand gelegt hat. Gastronomie, Kita, Sport, Tourismus, Kultur und Altenheime werden schrittweise nach Gusto der jeweiligen Ministerpräsidenten wieder öffnen und die Bundeskanzlerin hat unmissverständlich klar gemacht, dass sie alles bei steigenden Infektionszahlen wieder schließen wird. Die Kontaktverbote bleiben mehr (Bayern) oder weniger (Sachsen-Anhalt) erhalten. Mir kann es egal sein, ich war von Anfang an gegen den Shutdown und nun…habe ich schon erwähnt, dass wir im Arsch sind?

Andernorts in Berlin hat Salomon Kalou, aktuell noch Spieler von Herta BSC, für ein großes Hallo gesorgt, weil er, mitten in die Diskussionen um eine Wiederaufnahme des Bundesligabetriebes, nichts Besseres zu tun hatte, als ein heimlich gefilmtes Video aus den Katakomben des Fussball-Erstligisten online zu stellen. Das allein wäre zunächst schon peinlich genug, aber hier auch noch zu dokumentieren, dass alle von den Vereinen zugesagten Corona Schutz- und Testmaßnahmen komplett ignoriert werden, sobald sich die Kabinentüren schließen, hat schon eine eigene Dimension. Nun gehöre ich nicht zu den Menschen, die der Überzeugung sind, dass Fußballer eigentlich verkappte Astrophysiker sind, nur weil sie teilweise astronomische Gagen beziehen und in ihrem kleinen grünen Universum je nach Tagesform geniale Spielzüge vollführen. Für Talent kann man nichts, die Kommerzialisierung des Fußballs hat zur Explosion der Gehälter geführt und komplexe Abläufe kann man sogar Labormäusen antrainieren.

Trotzdem würde mich interessieren, was in der Birne von Salomon Kalou vorgegangen ist. Selbst wenn es da nur schlecht beleuchtet wäre, ist das keine einleuchtende Erklärung. Wer sich sogar beim Scheiße labern im Stadion wegen eventuell anwesender Lippenleser automatisch die Hand vor den Mund hält, sollte von seinen Beratern soweit konditioniert sein, um zu wissen, dass Handyfilmchen in der Kabine niemals den Oskar, aber oft die Suspendierung nach sich ziehen. Kalou´s Vertrag läuft im Juni aus. Er wurde inzwischen suspendiert. Wenn er sowieso gehen wollte, hat er seinem Verein noch schnell einen mitgegeben. Wenn er aber bleiben wollte, war das für die weiteren Vertragsverhandlungen, euphemistisch ausgedrückt, eher kontraproduktiv gewesen.  So oder so hat er seinem Vornamen mit der Aktion keine Ehre gemacht.

Dem Fußball in Deutschland und damit einem möglichen Wiederanpfiff der Bundesliga hat er ohne Zweifel einen Bärendienst erwiesen. Trotzdem wird die Bundesliga in zwei Wochen wieder starten und das, obwohl die ständigen Neumeldungen an Corona Infizierten in den verschiedenen Vereinen schon Grund genug geliefert hätten, um einige Verantwortliche am eingeschlagenen Weg zweifeln zu lassen. Jetzt bleibt noch die Frage, ob diese ganzen Corona Fälle bekannt wurden, weil man hier zu 100% getestet hat und demzufolge in diesem Mikrokosmos plötzlich ohne Dunkelziffer gearbeitet hat (Anm.d.Red.: siehe mein Blog vom 04.05.20, ´Im Dunkeln fischen´). Das wäre allerdings nur die eine Möglichkeit. Die Alternative ist weitaus schlimmer, würde es doch bedeuten, dass die Corona Schutzmaßnahmen bei vielen bis allen Bundesligavereinen mehr oder weniger ignoriert werden und der gute Salomon Kalou nur der Dumme war, der es veröffentlicht hat. Dann sieht es richtig trübe aus und die prognostizierte 2. Welle taucht zwei Spieltage weiter nicht in Gesamtdeutschland, aber in der Bundesliga auf.

Ehrlich gesagt zeigt der Casa Herta BSC eigentlich nur das, was eigentlich die meisten, die kritisch durch die Corona Krise laufen sowieso schon beobachtet haben: Nicht nur die Infektionszahlen leiden unter einer Dunkelziffer, sondern auch die Schutzmaßnahmen. Natürlich gibt es unsere Hygienenazis, die seit Wochen permanent darauf lauern, dass sie irgendeinen armen Passanten maßregeln können, weil er den Mindestabstand zu ihnen um 2 cm unterschritten oder die Currywurst innerhalb des 50m Bannbereiches um die Wurstbude gefuttert hat (Anm.d.Red.: Jetzt, da auch die Schulen wieder offen sind, muss leider festgestellt werden, dass die ohnehin schon vom Wahnsinn geküssten  Helikoptereltern ihre Zeit zu Hause genutzt haben, um neben des Verlustes des Restverstandes, den freiwerdenden Speicherplatz genutzt haben, um sich zum Hygienefachmann/frau weiterzubilden. So kritisierte heute in NRW eine Mutter vor laufender Kamera den Schulleiter, dass ihre 16-jährige Tochter mit anderen Schülern in der Pause eng zusammengestanden hat. Ich habe mich weniger gefragt, ob das nun gerechtfertigt war oder nicht, was der Schulleiter dafür konnte oder wieso die Plagen in dem Alter nicht eigenständig denken können, sondern was zum Teufel die Mutter während der Unterrichtszeit vor oder auf dem Schulhof zu suchen hatte). Abgesehen von diesen speziellen Menschen, denen beim strikten Befolgen von Regeln das Freudenpipi in die Hose tröpfelt, hat der Rest der Bevölkerung bewusst oder unbewusst beim Einhalten der Hygieneregeln getrickst, ignoriert und interpretiert was das Zeug hält. Nehmen wir zunächst die Basics, wie beispielsweise regelmäßiges Hände waschen oder in die Armbeuge husten – ja in die Eigene, haha! Ich kenne eigentlich nur Leute, die die grundsätzlichen Benimmregeln beherrschen. Bin ich der Einzige, der anzweifelt, dass Leute, die noch nicht einmal regelmäßig baden oder sich die Zähne putzen, plötzlich zum Sagrotan Botschafter geworden sein sollen, nur weil es die Regierung vorschreibt? Aus diesem Kreis rekrutiert sich auch ein Großteil derer, die `2 Personen Regel´ von Anfang an eher als Vorschlag, denn als Vorschrift gesehen haben. Gegenüber meiner Wohnung liegt ein Park. Ich kann aus dem Fenster schauen, wann ich will, von 3 bis 20 Personen ist fast immer etwas dabei. Ja, auch nachts und seit letzter Woche mit und ohne Mundschutz. Ob der nach jedem Tragen gewaschen wird und was sich da bei einigen so nach einer Woche im Gesicht tummelt, bedecke ich hier mit dem Mantel des Schweigens. Ganz vorne dabei, wenn es ums Ignorieren des Kontaktverbotes geht, unsere Freunde aus den südlicheren Bereichen. Ich vermute es wurde versäumt die Regeln in arabischer Sprache auszugeben oder das Ordnungsamt hatte einfach Schiss sie auseinanderzutreiben.

Alle Maßnahmen, die in den Firmen und den großen Möbelhäusern nach dem Shutdown als Hygieneregeln eingeführt wurden sind ebenfalls von sinnlos bis lächerlich. Ich war heute im Ikea und wollte fünf simple Einlegeböden abholen. Ich möchte nicht Ikea im Speziellen ob ihrer Kurzsichtigkeit böshunden, sondern einfach nur stellvertretend anprangern, wie sinnbefreit und teilweise kontraproduktiv die Schutzmaßnahmen sind. Wo ist die Reduzierung des Ansteckungsrisikos, wenn man mit hunderten von Menschen durch die, bekannterweise sehr lange, komplette Verkaufsausstellung rennen muss, wenn man eigentlich nur am Ende des Weges bei den Kassen im Lager zu Regal 21 will.

Mir liegen Berichte von Fiebermesszelten an einem großen Automobilwerk vor. Die Regeln im Werk werden penibel kontrolliert, aber vor dem Zelt stehen Menschenmengen und in den Pausen wir es mit der Abstandregel und dem Mundschutz alles andere als ernst genommen. Ungefähr so sinnvoll, wie das Kondom nach dem Vögeln anzuziehen.

Alle anderen im privaten Raum haben vielleicht nach außen so getan, als wenn sie die Kontaktverbote einhalten, aber hinter den Mauern unserer überschuldeten Einfamilienhäuser, bewohnt von nicht systemrelevanten Doppelverdienern, die ihren letzten Pfennig ins Haus gesteckt haben, gingen die Großeltern ein und aus. Meist, weil es gar keine Alternative gab, um jemanden für die Kinder zu haben, nicht selten aber einfach aus ´mir kann das doch nicht passieren´ Mentalität.

Dann ziehen wir noch schnell all die Bürger ab, die sich, wie ich, aus Coronalem Ungehorsam sowieso nie um das Kontaktverbot geschert haben. Die ganzen anderen nicht namentlich erwähnten größeren und kleineren Verfehlungen kommen auch noch dazu und übrig bleibt nicht mehr viel von dem besonnenen Verhalten des deutschen Volkes, dass die Bundesregierung so gerne hervorhebt, um die Gemeinsamkeit in der Sinnlosigkeit zu manifestieren.

 

Wenn ich recht habe, dass die Hygienemaßnahmen und Kontaktverbote wirklich permanent unterlaufen werden, ist das nicht unbedingt ein Desaster, sondern die Hoffnung, dass es jetzt, wo wieder alles schrittweise öffnet, es gar keine steigenden Infektionszahlen, 2. Welle oder erneuten Shutdown als Konsequenz geben wird.