Wenn zwei das Gleiche tun...

Boris Palmer, der Bürgermeister von Tübingen, hat letzte Woche etwas getan, was ein Politiker tunlichst vermeiden sollte. Er bezieht auf sachlicher Ebene eindeutig Stellung zu Themen, ohne sich dafür zu interessieren, dass auf emotionaler Ebene nur eine gesellschaftlich tolerierte Meinung akzeptiert wird. Ein Beispiel: Wenn ´Die Linke´ einen Reichensteuer fordert, ist das eine eindeutiges Statement. Allerdings wissen wir nicht erst seit Robin Hood, dass es hochmoralisch und somit gesellschaftlich akzeptabel ist, es den Reichen zu nehmen und den Armen zu geben (Anm.d.Red.:  Nun haben sich in Sherwood Forest aber nur fleißige, wenn auch einfache Zeitgenossen rumgetrieben, die alle im Rahmen ihrer Fähigkeiten dem Gemeinwohl gedient haben. Keiner hat sich eine soziale Hängematte zwischen zwei Bäume gebunden und erwartet, dass er ohne eigenen Beitrag von den bestrumpften Helden mitversorgt wird. Eine Lebenseinstellung, die in Deutschland weiter verbreitet ist, weswegen die vorbehaltlose Umverteilung von Besitz, wie ihn linke Parteien immer mal wieder vorschlagen, auf etwas mehr Gegenwind stößt). Man kann die Forderungen putzig, naiv oder lächerlich finden, aber niemand, mal abgesehen von notorischen Hatern oder wie dieses ganze anonyme feige Gesocks im Internet bezeichnet wird, würde darauf steil gehen. Schließlich wurde die gesellschaftlich akzeptierte Moralvorstellung nicht verletzt.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass eine sachliche Bewertung vermieden wird, weil man sich der emotionalen Ebene allzu bewusst ist. Stellen sie sich einen Menschen vor, der überheblich und teilweise beleidigend daherkommt, dazu noch Drogen nimmt und im Koksrausch nicht nur die Freundin betrügt, sondern noch dazu eine minderjährige russische Prostituierte besteigt. Auch wenn es nicht so aussieht, aber das war die rein sachliche Seite der Geschichte. Was kann da noch emotional werden? In Deutschland gibt es nur eine Möglichkeit mit so etwas relativ stressfrei und ohne größere berufliche Konsequenzen durchzukommen. Man gehört einer Volksgruppe an, die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung geworden ist. Dann verbietet sich per se jede Kritik. Nur so konnte es klappen, dass Michel Friedman relativ unbeschadet seinerzeit aus der Nummer rauskam, während beispielsweise Christoph Daum hierzulande nie wieder ein Bein auf den Boden bekommen hat. Dabei hat er ´nur´ gekokst! (Anm.d.Red.: Meine Lektorin hat darauf aufmerksam gemacht, dass sowas immer ein ganz heißes Eisen sein kann. Ich sehe diese Anmerkung als Bestätigung meiner Theorie).

Zurück zu Boris Palmer. Auch wenn er als Politiker sicher auf mediale Aufmerksamkeit aus ist, finde ich es gut, dass er unangenehme Themen rein sachlich anspricht, obwohl er weiß, dass dort eine emotionale Bombe tickt, die bei der kleinsten Erschütterung hochgehen wird. Er hat bereits in der Vergangenheit polarisierende Äußerungen getätigt, wie zum Beispiel zur Flüchtlingspolitik, als er einen härteren Umgang mit der Abschiebung von straffälligen Flüchtlingen verlangte. Sehr ungewöhnlich für einen grünen Politiker eine solche Aussage zu tätigen: ´ Hätte ein Neonazi mit dem Schwert einen Afrikaner erschlagen, würden dieselben Leute längst Konzerte gegen rechts auf dem Cannstatter Wasen veranstalten´. Damit hat er die eigenen Reihen beschuldigt zwar rechte Gewalt anzuprangern, linke Gewalt oder Straftaten von den hier protegierten Flüchtlingen als Einzelfälle zu verharmlosen. Damals hat ihm den Hintern gerettet, dass er ´Gewalt´ in den Vordergrund stellte. Dadurch war eine eindeutige Stellungnahme auf sachlicher Ebene zur Flüchtlingspolitik möglich, obwohl gerade diese Diskussion hauptsächlich emotional geführt wird.

Auch wenn es für ihn nicht so riskant ist, wie etwa für einen chinesischen Regimekritiker, gehört auch in einer Demokratie Mut dazu Tabuthemen klar anzusprechen. Vor allem die, die in unserer politisch korrekten Gesellschaft keine zweite Meinung zulassen: Der Kampf gegen Ausländerkriminalität und Clans ist nicht rassistisch, die Vorbehalte an Zopf Gretas Engstirnigkeit raubt unserer Jugend nicht die Zukunft, Einwände gegen die israelische Palästinapolitik sind nicht antisemitisch, das Anprangern von veralteten Frauenbildern nicht islamfeindlich und letztendlich ist all diese Kritik nicht nationalistisch, nur weil ich sie als Deutscher äußere.

Palmers Aussagen, die er letzte Woche zum Umgang mit dem Corona Virus im SAT1 Frühstücksfernsehen getätigt hat, könnten ihm allerdings politisch das Genick brechen: ´Ich sag es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären´. Der Zusatz, es müsse unterschiedliche Sicherheitsvorkehrungen für Junge und Ältere geben, gingen schon im Schrei der allgemeinen Empörung unter. Auch wenn die Aussage sehr aus dem Zusammenhang gerissen wurde, ist es sehr ungeschickt, gerade in Corona Zeiten ein so sensibles Thema in dieser Form anzusprechen. Das liegt noch nicht einmal an dem Virus selbst, denn die kleinen Biester haben seit Jahrmillionen Lebewesen auf diesem Planeten gepiesackt. Wir haben nur, dank der Panik um Covid 19 gesehen, dass wir in Mitteleuropa, verschont von Weltkriegen in den letzten Jahrzehnten vollkommen verlernt haben angemessen und würdevoll mit dem Sterben, dabei besonders mit dem natürlichen Tod, umzugehen. Ihn mit wirtschaftlichen Aspekten aufzuwiegen kommt somit politischem Selbstmord mit Ansage gleich, zumal die Ethikkeule die effektivste Waffe im politischen Stellungskrieg ist. Ich habe seit Wochen in verschiedenen Beiträgen darauf hingewiesen, dass uns die Regierung, wegen einer ungenauen Datenlage bei einem neuartigen Virus, nur deshalb  in die aktuelle wirtschaftlich desaströse Situation gebracht hat, um nicht das Risiko einzugehen, später für den Tod eines einzigen Menschen außerhalb der vulnerablen Gruppe verantwortlich gemacht zu werden. Boris Palmer dürfte das ähnlich gesehen haben, die Art, wie er es ausformulierte hätte differenzierter sein müssen.

Wie man die Diskussion zum Thema besser anfacht, ohne als Überbringer der schlechten Nachricht gleich erschossen zu werden, zeigte uns nur ein paar Tage vorher der Präsident des Bundestages, Wolfgang Schäuble: `Die Aussage, alles andere habe vor dem Schutz von Leben zurückzutreten, ist in dieser Absolutheit nicht richtig. Wenn es überhaupt einen absoluten Wert im Grundgesetz gibt, dann ist es die Würde des Menschen. Aber auch die schließt nicht aus, dass man sterben muss´ (Anm.d.Red.: Für mich ist Schäuble einer meiner Favoriten in diesen Zeiten. Er hält sich angenehm zurück und gibt nur ein Statement, wenn er auch wirklich etwas zu sagen hat. Schon seine kritische Auseinandersetzung mit der Globalisierung vor drei Wochen hatte Hand und Fuß).

Nun muss man anmerken, dass der Mann jahrelange Eiertanzerfahrung hat und somit eine Formulierung verwendete, die nicht ausreicht, um empört seinen Rücktritt zu fordern, sondern im Gegenteil Dankbarkeit erfährt, weil er endlich eine längst überfällige Diskussion anstoßen wollte. Wenn man sich das SAT1 Interview komplett ansieht, wird man erkennen, dass Boris Palmer eigentlich nur die Aussage von Wolfgang Schäuble auf den Punkt gebracht hat. Allerdings hätte er nur von den Menschen sprechen dürfen, die in der Folge der weltweiten wirtschaftlichen Katastrophe durch die Corona Krise, in Deutschland, aber besonders in Schwellen- und Drittweltländern in nicht messbarer aber sicher riesiger Zahl sterben werden. Tod als Folge von Rezession passt, Tod zur Vermeidung einer Rezession nicht und so machte Palmer sich angreifbar für alle Wirtschaftsethiker, die natürlich umgehend interviewt wurden.

´Der Ton macht die Musik´ lautet ein altes Sprichwort. Während Wolfgang Schäuble bereits die ganze Klaviatur der politischen Diskussionskultur beherrscht, braucht Boris Palmer wohl noch ein wenig Musikunterricht. All das ändert aber nichts daran, dass das Publikum für das ganze Konzert bezahlen wird. Da kann das Orchester nicht einfach die anspruchsvollen Stücke auslassen, nur weil sie schwer zu spielen sind.

Während sich in den Reihen der Senioren, die angeblich von Palmer angegriffen wurden, eher mehrheitlich Zustimmung zu dessen Aussagen finden lässt (Anm.d.Red.: Ich habe jede Menge Leserbriefe zu dem Thema aus schwäbischen Zeitungen ausgewertet), sind die Grünen als selbsterklärte Gutmenschen-Partei, allen voran Robert Habeck, indes damit beschäftigt sich, wie schon des Öfteren in den letzten Jahren, von dem angeblichen Querulanten aus Tübingen zu distanzieren. Allein Winfried Kretschmann, als einer der wenigen Realisten hält sich mit Kritik zurück, denn er weiß, dass die verschwurbelten Vorstellungen seiner Parteikollegen so weit von der Realität entfernt sind, wie der Islam von der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Palmer und Kretschmann bleiben die einzigen in dieser Partei, die scheinbar eingesehen haben, dass die Welt nicht beeindruckt mitziehen, sondern lachend an Deutschland vorbeiziehen wird, wenn wir im Alleingang die Welt grün, genderneutral und multikulti machen wollen.

Aus dem dümmeren Teil der Bevölkerung erhält Palmer, wie heutzutage üblich, anonyme Morddrohungen. Das einzige Mittel der Wahl der Feiglinge, die von ihrem geistigen Potential her nicht in der Lage sind sich dediziert mit andern Meinungen auseinanderzusetzen (Anm.d.Red.: In den guten analogen Zeiten war diese kranke Art der Kommentierung viel seltener. Es gab noch kein Rechtschreibprogramm und man konnte meist schon die Dummheit solcher Schweine an den Rechtschreibfehlern erkennen. Die Logistik war aufwendig, denn sie mussten Briefe schreiben und die Strafverfolgung aufgrund möglicher Fingerabdrücke einfacher als Cybercrimebekämpfung. Heute gibt das Internet diesem Idioten nicht nur Anonymität sondern, viel schlimmer, eine Bühne).

Ich hoffe Boris Palmer lässt sich dadurch nicht beeindrucken, auch wenn es bei den Grünen wohl nie zu mehr als Oberbürgermeister reichen wird. In Tübingen wurde er letzten Endes auch nicht von den Parteimitgliedern gewählt. In diesem Laden stehen die Chancen eher schlecht, zumindest solange seltsam gestylte Fantasten, wie Anton Hofreiter, noch reelle Chancen auf wichtigere Ämter bekommen, als die des Pausenclowns auf der Parteiweihnachtsfeier.

Gestern hat Merkel das Zepter aus der Hand gegeben und den Bundesländern die Lockerungen überlassen. Eigentlich ein geschickter Schachzug, denn jetzt wird ihre Autorität durch unabgestimmte Maßnahmen der Länder nicht weiter demontiert. Gleichzeitig wird die Geschwindigkeit zunehmen, mit der man uns zurück in ein normales Leben katapultiert, weil die Ministerpräsidenten nun erst richtig von der Leine sind. Gerade gut zu sehen am Beispiel Hessens, die schon wieder Veranstaltungen von bis zu 100 Menschen zulassen wollten, noch bevor Merkels Spucke am Mikrofon gestern getrocknet war. Vor diesem Hintergrund wird die Notwendigkeit der Diskussion, wie sie von Palmer und Schäuble gefordert wird, in den nächsten Tagen nicht bestehen. Das kann sich aber umgehend ändern, wenn wir durch die neue Lockerungsfreude der Länder steigende Infektionszahlen und in der Folge wieder nervösere Politiker bekommen würden. Die ramponierte Wirtschaft wäre umgehend wieder im Fokus.

 

Auch wenn ich Bedenken habe, bleibt meine Hoffnung, dass Covid19 sich auf seine Wurzeln besinnt und, wie jeder weniger gehypte Corona Virus, langsam in die Sommerpause verschwinden würde. Homeoffice ist zwar gemütlich, aber ich bevorzuge es in Sommerurlaub zu fahren oder in Straßencafés zu sitzen. Im Herbst können die Idioten vom RKI und der Regierung von mir aus wieder anfangen das Land zu ruinieren. #Panik vor der 2. Welle!