Söderkratie

Bundeskanzler in spe, Markus Söder, hat ganz staatsmännisch die Woche eröffnet und erwartungsgemäß das gemacht, was auch bisher seiner Linie entsprach, um sich von Laschet und Co. abzuheben: Bremsen!

Immerhin muss man ihm zugutehalten, dass er nicht nur die Wirtschaft auf dem Weg zum Kanzleramt ruiniert, indem er weiter eine schwindende Corona Bedrohung groß redet, sondern er macht sich wenigstens auch Gedanken, wie man  sie wieder ankurbeln kann. Hat was von einer Unternehmensberatung. Die klauen zuerst auch deine Uhr, um einem hinterher zu sagen wie spät es ist.

Es mag sein, dass es Konjunkturprogramme geben muss, um die Kauflaune der Bevölkerung in der Krise ein wenig zu steigern, aber die Leute nach wie vor die Reisefreiheit zu nehmen und stattdessen Gutscheine für den Urlaub im eigenen Land zu versprechen, ist nicht akzeptabel. Es ist eine Sache, dass der bayrische Ministerpräsident relativ offen diese Strategie empfiehlt. Gleichzeitig aber die europäischen Außenminister für ihre Gespräche über mögliche Lockerungen der Reisebeschränkungen zu kritisieren ist schon frech für einen Landespolitiker, der er immer noch ist (Anm.d.Red.: Ich bin gespannt was bei diesen Gesprächen rauskommt. Wahrscheinlich nichts, schließlich nimmt unser Außenminister dran teil. Im Vorfeld hat man schon fleißig die Reiselaune runtergeschraubt, indem die Regierung Angst in die Reiseplanung der Deutschen einsickern ließ, weil sie erneute Grenzschließungen ausmalt, dabei aber eine weitere Rückholaktionen von vorherein ausschließt. Als wenn es Tourismus und Fluggesellschaften nicht schon schlecht genug gehen würde. Apropos Rückholaktionen: Überhaupt kann ich die Eigenloborgien des Außenministers hier keinesfalls verstehen, denn ich sehe es nicht als logistische Höchstleistung an, deutsche Fluggesellschaften dafür Geld zu geben, dass sie einen Flieger auftanken und in andere Länder fliegen. Die Betroffenen, insbesondere Entwicklungshelfer in Krisenregionen, wurden vor Ort noch nicht einmal organisiert abgeholt, sondern mussten sehen, wie sie rechtzeitig zum jeweiligen Militärflughafen kamen. Eigentlich eher ein Armutszeugnis, denn respekteinflößend, wenn man diese Friedensbotschafter des eigenen Landes so hängen lässt).

Lustig fand ich dann in diesem Zusammenhang, dass sich Söder mit Innenminister Seehofer, unabhängig von dem Außenministertreffen, an einem Grenzübergang zu Österreich treffen will, um parallel zu Heiko Maas über die Grenzöffnungen zum eigenen Nachbarn zu diskutieren. Sieht für mich wie ein Tritt mit Anlauf in die, ansonsten von Natalie Wörner gekraulten Kronjuwelen des Bundesaußenwichts aus. Aber was weiß denn ich schon von Regierungspolitik. Vielleicht habe ich auch etwas verpasst und Bayern ist am Wochenende zusammen mit Österreich aus der EU ausgetreten und arbeitet wieder an einer gemeinsamen Alpenmonarchie unter König Markus I. Allerdings ist bei dem Treffen an der Grenze meines Wissens noch nicht einmal ein Vertreter der österreichischen Regierung zugegen. Wenn ich Bundeskanzler Kurz wäre, würde ich mal bei Polen nachfragen, die können ein Lied davon singen, was passiert, wenn sich Deutsche erst einmal unilateral an der Grenze zum Nachbarland treffen. Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb man als Innenminister und Ministerpräsi extra zur Grenze reisen muss, um sich über das weitere Vorgehen beim Grenzverkehr mit dem südlichen Nachbarn zu informieren. Vielleicht bin ich auch von Verschwörungstheorien einfach zu sehr beeinflusst und Söder will einfach nur mal eine Hand an den Grenzpfosten zu Österreich legen. Ist wahrscheinlich was Esoterisches. Er muss vor einer Entscheidung über ein Thema erst einmal einen physischen Kontakt zum Thema herstellen. Als die Atemschutzmasken auf dem Münchner Flughafen ankamen, hatte er bereits ein ähnliches Bedürfnis (Anm.d.Red.: siehe mein Blog vom 12.04.20, ´Covadis?´).

Viel mehr Themen hatte der bayrische Ministerpräsident dann auch nicht und so kam auch nur noch der übliche Seitenhieb nach rechts und auf die Corona Demonstrationen, was zurzeit offensichtlich dasselbe zu sein scheint (Anm.d.Red: Hierbei musste ich mal wieder feststellen, wie zwei Personen rückblickend einen komplett unterschiedlichen Blick auf die Dinge haben können. Während ich mich an Berichte in der ARD erinnern kann, in denen die AfD bis zum Shutdown dafür abgestraft wurde, dass sie das Corona Virus verharmlosen würde, hatte Söder in Erinnerung, dass es der AfD damals mit dem Shutdown nicht hätte schnell genug gehen können. Faszinierend!). Brave Bürger sollten sich doch bitte von den Protesten fernhalten, weil sie ausnahmslos von rechts unterwandert wären. Erinnert ein wenig an Cato den Älteren, der zu seinen Lebzeiten im römischen Senat auch jede Rede unabhängig vom Thema mit den Worten beendete ´ Ceterum censeo Carthaginem esse delendam´ (Anm.d.Red.: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss´. 150 v. Chr. stimmte der Senat schließlich Cato zu, was zum Dritten Punischen Krieg und der Zerstörung Karthagos führte. Dabei war Karthago zumindest für Rom eine Bedrohung...). Die Regierung ist wohl der Ansicht, man muss nur oft genug harmlosen Demonstranten erzählen, sie würden von rechten Hetzern instrumentalisiert werden oder Verschwörungstheoretikern eine Bühne geben und schon gehen alle brav nach Hause und verzichten darauf gegen die Einschränkung der Grundrechte zu demonstrieren. Ich traue bekanntermaßen dem Gros des deutschen Volkes nicht viel zu, aber bin sicher, dass jemand, der für seine Freiheit auf die Straße geht, durchaus in der Lage ist herauszufinden, ob der Glatzkopf neben einem exzessiven Haarausfall hat oder ein Nazi ist. Ein Tipp für die Doofen: Wenn jemand etwas davon faselt, dass eine semitische Weltverschwörung an Corona schuld ist, brauch man sich auch nicht mehr die Mühe machen seine Haarpracht zu beurteilen. Keine besonderen geistigen Voraussetzungen werden allerdings benötigt, wenn es darum geht, einen Typen mit Aluminiumhut als Deppen zu identifizieren.

Deshalb finde ich es nach wie vor unerträglich, dass die Regierung alles, was nicht ihrer Sicht der Dinge entspricht, seit Beginn des Widerstandes als rechte Polemik und Verschwörungstheorie brandmarkt. So wurde auch auf der Pressekonferenz der Bundesregierung wenig später das Thema erneut angesprochen. Hier ging es dann mal wieder um die Rückweisung, dass die Bill & Milinda Gates Stiftung irgendeinen Einfluss auf die WHO genommen haben könnte. Ich werde nicht müde es herauszuarbeiten. Es spielt für die Demonstrationen keine Rolle, was der gute Bill im Schilde führt (Anm.d.Red.: Irgendwas will er sicher, siehe mein Blog vom 15.05.20, `Verschwörung!´). Mit dem ständigen Herumreiten auf der Unsinnigkeit solcher Theorien, will die Regierung nur vermeiden sich mit den wahren Beweggründen der Demonstrationen befassen zu müssen, nämlich der Forderung umgehend zur Normalität zurückzukehren. Das würde Fragen nach Notwendigkeit und Härte der Shutdownmaßnahmen aufwerfen, die in Anbetracht harmloserer Corona-Verläufe ohne Shutdown in Schweden immer noch unangenehm werden könnten.

Wenn man nicht will, dass ein Thema in einer bestimmten Richtung diskutiert wird, bleibt auch noch die Möglichkeit den Blick in die komplett entgegengesetzte Richtung zu lenken. So gesehen kann es allen Beteiligten, allen voran Jens Spahn, nur recht gewesen sein, dass die ´Welt am Sonntag´ gestern Anschuldigungen aufbrachte, die Verantwortlichen in Deutschland hätten anfangs zu spät auf das Corona Virus reagiert. Ich bin deshalb ein wenig verwundert, weil diese Zeitung dem Axel Springer Verlag gehört, der in den letzten Wochen, unter anderem mit dem Nachrichtensender ´Welt´ nicht gerade als besonders regierungskritisch aufgefallen ist. Ob das Thema zufällig oder gewollt zum jetzigen Zeitpunkt lanciert wurde, würde so oder so im Moment in der Ecke der Verschwörungstheorien enden und deshalb braucht von mir nicht weiter vertieft zu werden. Trotzdem wird es interessant sein zu beobachten, wie und vor allem über welchen Zeitraum diese Diskussion noch geführt wird. Das sie ohne Ergebnis verlaufen wird dürfte jedoch klar sein.

 

In jedem Fall braucht die Bundesregierung noch etwas Zeit, um die Situation Schritt für Schritt irgendwo in die Nähe ihrer sogenannten ´neuen Normalität´ zu bringen, ohne sich unangenehmen Fragen gegenüber zu sehen. Trotzdem schnell genug, damit die Stimmung in der Bevölkerung nicht kippt. Ein Spagat, der sicher schwer zu praktizieren ist. Ich bitte jedoch um Entschuldigung, dass diese Aufgabe nichts ist, weswegen ich ansatzweise Mitleid empfinden könnte, denn so oder so wird es nicht in einem Normalzustand enden, den wir noch aus 2019 kennen. Egal wie viele Menschen für ihre Grundrechte noch auf die Straße gehen mögen, es wird nichts daran ändern, dass uns ein Stück Freiheit genommen wurde, das wir nie wieder zurückbekommen werden. Viele Hygieneregeln werden einfach bestehen bleiben und im besten Fall werden wir bei jedem dahergelaufenen Virus in Zukunft dazu verdonnert werden eine Maske zu tragen. Tragischer ist jedoch, dass wir von nun an in ständiger Angst leben dürfen, dass die Regierung alles, was ihr nicht in den Kram passt, zu einer Bedrohung der Volksgesundheit stilisieren kann und uns in der Folge aufs Zimmer schickt.