Fehlerquote

Ich muss zugeben, dass in der Corona-Pandemie viele Uhren anders ticken. Zu jeder anderen Zeit hätte die Opposition jeden an die Wand genagelt, dem man einen kleinen Fehler nachweisen konnte. In der heutigen Zeit darf ein Politiker sogar offen zu seinen Fehlern stehen, ohne auch nur einen Schrei der Empörung ausgelöst zu haben. Denn nichts anderes hat der Bundesgesundheitsminister getan, als er letzte Woche zugegeben hat, dass man zu Beginn der Pandemie Fehler gemacht hat und der Lockdown nicht notwendig gewesen wäre (Anm.d.Red.: Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Er gesteht ein, dass die Regierung durch eigene Fehler die Wirtschaft ruiniert hat und niemand aus Opposition und/oder Presse sieht sich genötigt dem Mann die Eier hochzutackern). Nun ist Jens Spahn kein Mensch, der unüberlegt handelt. Er hat den Unmut der Bevölkerung letzte Woche am eigenen Leib zu spüren bekommen und auch die Regierung weiß inzwischen genau, dass mit zunehmender Spaltung im Hinblick auf die Schutzmaßnahmen ein zweiter Lockdown nicht durchsetzbar ist. Genau der war aber bei einer zweiten Welle bisher alternativlos (Anm.d.Red.: Nun kennt der geneigte Leser zu genüge meine Theorie, dass die Bundesregierung wie viele andere auf der Welt zu Beginn der Pandemie aus vielerlei Gründen überreagiert und damit den Lockdown beziehungsweise die Wirtschaftskrise zu verantworten haben. Dies gilt es zu vertuschen und deshalb kommen sie aus der Nummer mit den rigiden Schutzmaßnahmen nicht mehr raus. Sie müssen ihren Stiefel durchziehen, notfalls bis zum zweiten Lockdown). Indem der Bundesgesundheitsminister nun Fehler einräumt, kann ein zweiter Lockdown vermieden werden, ohne das Gesicht zu verlieren, selbst wenn die zweite Welle im Herbst mit genauso hohen Infektions- und Todeszahlen aufwartet, wie die erste. Keine unüberlegte Äußerung oder gar ein Fehler von Jens Spahn, sondern vielmehr eine kalkulierte Imageschädigung des Einzelnen mit dem Ziel der langfristigen Machtsicherung der Regierung.

Kann ich mir die Strategie von Jens Spahn als Corona Sprachrohr der Regierung bei der Vorbereitung auf die zweite Welle noch halbwegs erklären, muss ich gestehen, dass ich beim Umgang mit den aktuellen Corona-Infektionszahlen etwas ratlos bin. Wir haben täglich über 1.200 Neuinfektionen in Deutschland, die berühmte Reproduktionszahl liegt mit, 1,2 deutlich über dem vom RKI ausgegebenen Zielwert von unter eins und die „roten Flecken“ auf der Deutschlandkarte mit Landkreisen, die mehr als 50 Neuinfektionen pro Tag zu verzeichnen haben, sinkt auch nicht. Damit sind die Zahlen in derselben Größenordnung wie noch vor ein paar Wochen zur Rückreisezeit, die Gesichter und Wortwahl von Corona-Panikern á la Lauterbach dagegen aber total tiefenentspannt.

Obwohl sich also eigentlich an den Zahlen nichts geändert hat, ist von den hektischen Maßnahmen wie Zwangstests an Flughäfen und Testzelten an Autobahnen keine Rede mehr. Im Gegenteil, Spahn wird die Zwangstests demnächst beenden und sogar unser bayrischer Corona-Papst Markus Söder schlägt seine Zelte an den Autobahnen ab und sucht nach neuen Möglichkeiten sich in der Pandemie zu profilieren, beziehungsweise, je nach Sichtweise, dem mündigen Bürger auf den Sack zu gehen.

Kurz gesagt, die täglichen Testkapazitäten gehen laut offizieller Statistiken seit einer Woche nach unten, aber die Infektionszahlen bleiben trotzdem konstant. Für mich ein klares Zeichen, dass die Infektionszahlen trotz Urlaubsende immer noch leicht ansteigen (Anm.d.Red.: Das bewusste Herunterfahren der Testkapazitäten könnte also bereits mit steigenden Infektionszahlen kollidieren. Ich bin gespannt, ob es Jens und Markus vor diesem Hintergrund noch rechtzeitig gelingen wird, die Lorbeeren für ihre angeblich so effektiven neuen Schutzmaßnahmen, wie die Bußgelder für Maskenmuffel, einzuheimsen. Details zu meiner Theorie, siehe mein Blog vom 21.08.20, ´Stochastik´). Nur scheint es niemanden in der Politik zu stören. Im Gegenteil, in Norddeutschland hat man heute sogar beschlossen die Puffs wieder zu öffnen (Anm.d.Red.: Ich wurde letzte Woche in meinem Urlaubsort nicht nur von Kellnern ohne Mundschutz in Restaurants bedient, sondern habe auch ein Bordell gesehen, dass bereits geöffnet hatte. Weder bestens informierte Einheimische oder Taxifahrer konnten mir eine befriedigende Erklärung liefern. Ich muss also davon ausgehen, dass Nobelurlaubsorte an der See wie in den Alpen Sonderrechte genießen oder bereits immer ein paar Tage früher von anstehenden Lockerungen erfahren, weil die entsprechenden Entscheider dort ein- und ausgehen. Eventuell ist es aber doch wahr und das Corona Virus befällt nur Menschen mit einem Vermögen unter einer Million Euro. Wie der RKI Chef immer so schön sagt, wir wissen halt einfach noch zu wenig über das Virus). Ich muss auch nicht alles verstehen, bin aber gespannt, wie der Bundesgesundheitsminister das, in den nächsten Wochen sehr wahrscheinliche Ansteigen der Infektionszahlen vor dem Hintergrund der aktuellen Vorgänge erklären wird. Ich bin aber sicher, er wird neue Schuldige finden, nachdem er die Menschen, die diesen Sommer im Urlaub oder den Innenstädten Party gemacht haben, dummerweise keine Infektionen geliefert hatten.

 

Ein taktierender Spahn, der Fehler eingesteht und steigende Infektionszahlen, die gerade offensichtlich niemanden interessieren. Ich denke ich muss noch ein wenig darüber nachdenken, ob hier Zusammenhänge bestehen.