Ein ganz normaler Samstag

Endlich Samstag! Einkaufen, Bundesliga, lecker Kochen, schön mit Freunden einen Trinken. Corona-Blog Pause, bis mein Blick nach draußen fällt. Gegenüber meiner Wohnung auf der anderen Seite des Flusses steht ein historisches Gebäude. Egal bei welchem Wetter, immer ein beliebter Hintergrund für die obligatorischen Hochzeitsfotos. Seltsamerweise fast ausschließlich für muslimische Hochzeiten, wie ich, trotz meiner nicht mehr so scharfen Augen immer daran erkenne, dass die weibliche Entourage des Brautpaares durchweg im besten Fall Kopftuch, aber nicht selten vollverschleiert rumläuft (Anm.d.Red.: Hoppla, das böse Kopftuch! Ich merke gerade, der heutige, nicht geplante Beitrag könnte in eine Richtung gehen, die den paar verbliebenen Gutmenschen unter meinen Lesern nicht gefallen wird. Also hier ist die Chance abzubrechen…OK, ihr hattet eure Chance! Ich bin Agnostiker, das heißt ich weiß nicht, ob es da draußen etwas gibt, stelle es aber weder wie der Atheist etwas engstirnig komplett in Abrede oder lasse fanatisch wie der Gläubige keine anderen Ansichten zu. Ich mache mir ein eigenes Bild von dem, was hierzulande Gott genannt wird und in der Folge meine Anliegen direkt mit ihm ab. Da haben pädophile Priester genauso wenig Platz wie eine Religion, die Verhütung in der dritten Welt als Sünde verteufelt oder eben eine, die, wie in diesem Fall auf einem überholten patriarchischen Fundament fusst. Das Kopftuch ist für mich ein Zeichen der Unterdrückung der Frau in diesem Kulturkreis und Zeichen für eine nicht gewollte Integration in Deutschland. Also danke, aber danke nein!). Ich habe keine Ahnung, warum die Hochzeitspaare gerade dieses Motiv bevorzugen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, wenn man das Gebäude nur im unteren Teil auf dem Foto hat, kann man der Verwandtschaft in allen Ecken des Morgenlandes das Bauwerk vielleicht als prunkvolle Moschee verkaufen. Was wir sonst hier in der Stadt an offiziellen muslimischen Gebetshäusern so haben, sieht nämlich mehr nach sozialem Wohnungsbau und weniger nach Blauer Moschee aus.

Da ich seit Monaten im Homeoffice sitze, habe ich ziemlich belastbare Zahlen und komme locker auf 20 Paare pro Woche, die hier zwischen Mai und September Fotos machen, auf denen einer davon, zumeist die Frau, zum letzten Mal in ihrem Leben so richtig Grund zum Lächeln hat. Nimmt man weiter an, dass andere Städte auch schöne historische Gebäude haben, dürften es fast ausschließlich Brautpaare aus dem hiesigen Einzugsgebiet sein. Allerdings dürfte nicht jeder Fotograf mit seinen Kunden bei mir gegenüber auflaufen und irgendwo gibt es sicher auch noch jede Menge Hochzeitspaare aus unserem christlich geprägten Abendland, die offensichtlich zwar andere Fotomotive bevorzugen, aber trotzdem so bekloppt sind, in der Corona-Pandemie außerhalb des Sommers eine große Hochzeitsfeier zu planen (Anm.d.Red.: Gut, bei einigen Bräuten sehe ich auf die Entfernung des Öfteren ein mehr oder weniger kleines Bäuchlein. Da ist es keine Unkenntnis, sondern schlichter Termindruck). Somit schätze ich, dass, im etwas weniger frequentierten September, allein in meiner Stadt jedes Wochenende circa 20 Hochzeitsfeiern stattfinden. Das würden auch die Zahlen des Standesamtes untermauern, das jährlich circa 1000 Eheschließungen verzeichnet. Im ganzen Ruhrgebiet wären das dann hunderte von Feiern, davon mindestens ein Viertel davon muslimisch geprägt. Anders ausgedrückt, hier finden stillschweigend geduldet von der Regierung große Familienfeiern, unter Umgehen der Nordrhein-westfälischen Corona-Regeln statt, gerne über mehrere Tage und gerne mit wechselndem Personenkreis.

Nun bin ich eigentlich für Durchseuchung und ich würde mir wünschen, dass auf jeder dieser Feiern immer ein Corona-Infizierter ohne Symptome Pflicht sein müsste. So wäre das Thema in einem Monat durch. Aber die Regierung will nun einmal stur die Infektionen verhindern und deshalb finde ich es eine Frechheit, dass man mir die Corona-Regeln verschärft, weil Laschet, Söder und Co. nicht den Arsch in der Hose haben, gegen muslimische Hochzeiten im unerlaubten Großveranstaltungsrahmen konsequent vorzugehen. Die üblichen Verdächtigen wie Reiserückkehrer und Partypeople auf den öffentlichen Plätzen im Freien zu beschuldigen ist Augenwischerei.

Angesichts dieser Fakten ist ein einziger Hotspot wegen einer solchen Hochzeitsfeier im gesamten Ruhrgebiet in Hamm zwar lächerlich, aber es ist nun einmal eine Frage der Wahrscheinlichkeit. Bei den aktuellen Infektionszahlen muss man in Deutschland im Schnitt täglich Kontakt zu etwa 300 Personen haben, um zumindest einem Infizierten zu begegnen. Wenn auf einer solchen Feier hunderte ohne Maske und Abstand zusammenkommen ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Infizierter dabei ist bei nahezu 100%. In der Öffentlichkeit unter freiem Himmel ist diese Wahrscheinlichkeit verschwindend gering. Trotzdem wird ernsthaft in Politik und Medien darüber diskutiert, ob ich zukünftig auf der Straße unter freiem Himmel eine Maske tragen soll. Irgendwo sollte spätestens hier der Spaß beziehungsweise das schweigende Erdulden der deutschen Bevölkerung mit Restverstand aufhören.

Aber ich lasse mir den Samstag nicht verderben. Außerdem will meine Freundin endlich los zum Einkaufen. An der Haustür treffen wir einen 15-jährigen arabisch aussehenden Jungen, der die Wochenendzeitung verteilt. Ich öffne die Tür und Frage, ob er die Zeitungen wegen des Regens ins Treppenhaus legen kann. Er nickt freundlich, trägt die Zeitungen rein und wünscht mir ein schönes Wochenende. An seinem relativ gebrochenen, aber doch schon passablen Deutsch erkennt man, dass er noch nicht lange im Lande ist. Das ist meine Vorstellung von gelebter Integration von Migranten.  Meine Laune steigt.

 

Auf dem Platz vor meiner Tür ist eine Demo statt. Da es nur etwa 40 Teilnehmer sind, werden die Corona Regeln automatisch eingehalten. Offensichtlich geht es um die rechtradikalen Chatgruppen in der Essener Polizei. Von mir aus, habe ich auch kein Verständnis für. Hakenkreuze und blinder Ausländerhass haben in Deutschland nichts zu suchen, egal ob bei der Polizei oder sonstwo. Dann entdecke ich ein Plakat, das gegen Polizeigewalt in Deutschland demonstriert. An dieser Stelle bin ich raus, nicke den Polizisten, die das ganze Kasperletheater auch noch sichern müssen, aufmunternd zu und haue ab, bevor ich doch noch schlechte Laune bekomme.