Männer die auf Liegen starren

Es wird mal wieder Zeit über Zahlen zu reden. Ich kann nichts dafür, das ist Jens Spahn schuld. Er hat schließlich gerade wieder betont, dass die Infektionszahlen langsamer steigen und der Lockdown ´light´ es somit wohl gerade noch einmal geschafft hat die Überlastung der Krankenhäuser zu verhindern. Kann man nach einer Woche so sehen, wenn man Fan der Regierungsstrategie ist, muss man aber nicht. Auch das neue Lieblingsthema der Medien, die Corona-bedingte Verknappung bei den über 28.000 verfügbaren Intensivbetten kann man so sehen, bei etwa 10% Anteil von Coronapatienten muss man das aber auch nicht. Das RKI hat heute die Zahlen wie üblich schlimmer dargestellt als nötig. Mir ist zumindest nicht klar geworden, was an einer ansteigenden, aber immer noch geringeren Sterblichkeit von 0,123% bei den Ü60 Patienten Grund zur Sorge geben soll, zumal die WHO-Auswertung von bis zu 0,3%, über die Gesamtbevölkerung gesehen, ausgeht. Der Begriff Triage wird auch schon wieder mit aufgerissenen Augen strapaziert (Anm.d.Red.: Französisch für Einteilung ist es ein aus dem Krieg stammendes und ethisch schwieriges Verfahren, bei dem man die im Feld verwundeten Soldaten aufgrund der begrenzten Zahl der Liegen und Ärzte im Feldlazarett nach der Schwere der Verletzung einteilt, inwieweit eine Behandlung sofort, später oder nicht mehr erfolgen soll. In der Corona-Pandemie käme das zur Anwendung, wenn mehr Patienten als Beatmungsplätze zur Verfügung stehen würden). Nach Aussage von Lothar Wieler sei der größte Engpass zurzeit das Pflegpersonal, weil nach Lesart des RKI die höhere Zahl an Corona-Neuinfektionen auch für eine höhere Zahl an Infektionen beziehungsweise Quarantäne beim medizinischen Personal verantwortlich wäre und damit der Grund für die zunehmenden Engpässe in den Krankenhäusern. Irgendwie eine seltsame Begründung, denn wenn die Corona-Regeln doch so sinnvoll und effektiv schützen, wenn man sie konsequent anwendet, sollten sie doch gerade bei diesem Fachpersonal noch viel effektiver sein. Weiteres ironische Detail am Rande: Wenn man Menschen mit überstandener Infektion nach wie vor nicht als immun führt beziehungsweise auf Antikörper testet, braucht man sich per se nicht zu wundern, wenn eigentlich immunisiertes medizinisches Personal wieder und wieder ausfällt. Schließlich findet das blinde Huhn vom Gesundheitsamt auch einmal ein Korn beziehungsweise eine Infektionskette und schon sitzen auch Menschen mit Antikörpern mindestens 5 Tage überflüssigerweise in Quarantäne. Die Effekte der falsch positiven PCR Testungen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Ich dagegen hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass noch etwas anderes für den Personalmangel auf dem Pflegesektor respektive der Intensivstationen verantwortlich sein könnte und sich die Bundesregierung auch bei diesem Problem mit ihren schlecht durchdachten Maßnahmen einmal mehr selbst ins Knie geschossen hat und sich mit ihrem Lockdown ´light´ erst in die Situation reinmanövriert hat.

Zunächst noch einmal zur Erinnerung, der Lockdown war vor fast zwei Wochen als alternativlos von der Regierung beschlossen worden, weil die Infektionszahlen zügig Richtung 20.000 pro Tag marschierten. Zu diesem Zeitpunkt redete kaum einer davon, dass nicht die Intensivbetten, sondern das dazugehörige Fachpersonal der begrenzende Faktor bei der Versorgung von Corona-Patienten sein könnte. Damit fing Spahns neuer Kasper aus der Kiste und Drosten-Ersatz Prof. Janssens erst nach Tag 1 des Lockdown ´light´ an (Anm.d.Red.: Mit Freuden denke ich daran zurück, wie er als erste Amtshandlung in der Pressekonferenz gleich dem Bundesgesundheitsminister einen einschenkte, als er ihm, wahrscheinlich unbeabsichtigt, Untätigkeit bei der Beschaffung von Pflegekapazitäten vorwarf. Siehe mein Blogbeitrag vom 03.10.20, ´Wie Spahn aus der Asche´).  Ich dachte mir damals eigentlich nichts dabei und nahm die Meldungen vom Pflegepersonalmangel auf den Intensivstationen in der Folge als neue Sau hin, die durchs coronale Dorf getrieben wurde. Schließlich stehen sie in direktem Zusammenhang zu dem gern genommenen Drohszenario der fehlenden Intensivbetten, das schon in der ersten Welle als nicht zu widerlegendes Totschlagargument willkommen war und nun auch wieder in den Fokus rückte (Anm.d.Red.: Ein Blick auf die Karte mit den offenen Intensivbettenkapazitäten des Robert-Koch-Institutes und die Tatsache, dass wir gerade letztes Wochenende wieder  Intensivpatienten aus Frankreich übernommen haben, bestätigte mich in meinem Gefühl, dass es noch nicht so ernst sein kann und hier anscheinend mal wieder Klappern zum Handwerk gehört, auch wenn es, wie so oft in der Pandemie, eher die Zähne gewesen sein dürften. Übrigens, wenn aus dem Grenzgebiet von Frankreich Corona-Intensivpatienten nach Deutschland eingeflogen werden, muss das nicht unbedingt an der, in den Medien immer wieder anklingenden Überlastung der französischen Krankenhäusern liegen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es sich um Infizierte aus dem Kreis der deutschen Steuerflüchtlinge handelt, die zu Tausenden auf der französischen Seite in Lothringen leben und die niedrigen Steuern genießen, aber in Deutschland arbeiten. Es ist gut möglich, dass die Franzosen diese freundlich, aber bestimmt in der Krisenzeit nach Deutschland abschieben. Auch wäre es mal sehr interessant zu wissen, wie viele dieser Sparfüchse zwar das Steuerrecht in Frankreich bevorzugen, aber bei der medizinischen Versorgung die deutsche Wertarbeit bevorzugen und sich angesichts eines komplizierteren Corona-Verlaufes röchelnd über die offene Grenze, heim ins Reich geschleppt haben und im Saarland nun dem braven deutschen Steuerzahler die Betten klauen). Außerdem hat es sich gezeigt, dass man viel zu viel mit Kritikern, wie dem Virologen Prof. Streek über die eigene Strategie diskutieren muss, wenn man weiter die Neuinfektionen als Kennzahl und Grund für den aktuellen Lockdown favorisieren würde. Da sind die Intensivkapazitäten doch viel geeigneter.

 So sah ich zunächst noch keinen Zusammenhang, zu den Stories, die mir genervte Eltern vom ständigen Öffnen und Schließen der Schulen und Kitas erzählten, gefolgt von obligatorischen Tests aller Beteiligter beim noch so kleinsten Corona-Verdacht. Auch nicht, als mir eine befreundete Lehrerin berichtete, dass sie schon zum dritten Mal fünf Tage zu Hause saß und erneut knapp an einer Quarantäne vorbeigeschrammt wäre, weil der PCR-Test letzten Endes doch wieder negativ war. Sie ist fassungslos, dass in ihrer Schule stets das Armageddon ausbrechen würde, wenn mal wieder ein bräsiger Beamter glaubte, eine Infektionskette in besagte Schule verfolgt zu haben (Anm.d.Red.: Was selbiges Amt aber nicht daran hinderte in der Folge weiter zu versagen, wie ich bereits in meinem Blog vom 19.10.20, ´Die Kirche im Dorf´ berichtete, als ich seinerzeit von der ersten ´Nicht-Infektion´ besagter Lehrerin erfuhr).

Schlimm genug, dass täglich riesige Mengen an Corona-Tests an diese nicht vulnerable Gruppe verschwendet werden (Anm.d.Red.: Die meisten Lehrer mit Vorerkrankung sitzen mit vollen Bezügen seit Monaten sowieso zu Hause). Die Fehlalarme, aufgrund unzuverlässiger PCR-Tests, verschärfen dabei die die Gesamtsituation an den Kitas und Schulen noch zusätzlich. Klick gemacht hat es dann aber erst heute, nachdem ich zwei, zunächst zusammenhanglos klingende Zahlen, hörte. Zuerst berichtete ntv davon, dass das Offenhalten der Schulen und Kitas im Lockdown sehr große Probleme bereiten würde und aktuell, zwar im stetigen Wechsel, aber trotzdem permanent über 300.000 Kinder in der häuslichen Quarantäne sitzen würden, weil es in den besagten Schulen einen möglichen Corona-Fall gegeben hätte.

Wenig später kam meine Freundin genervt nach Hause und beklagte sich, dass von den großen Corona-Helden, sprich medizinisches Personal, sich in ihrem Krankenhaus erneut fast die Hälfte krankgemeldet hätten (Anm.d.Red.: Bekanntes Thema aus der ersten Welle, damals aber noch mehr aus Angst vor Corona, siehe mein Blog vom 28.03.20, ´Ein ganz normaler Tag im Homeoffice´. Ich finde, es ist einer meiner besten Beiträge, aber wenn keine Zeit zum Suchen ist, es ist die kleine Randnotiz um 05:15 Uhr). Ich wunderte mich, dass gerade diese Berufsgruppe im besten Alter immer noch so eine Panik vor Corona schieben würde, noch dazu in einer Kinderklinik, wo man doch inzwischen ziemlich sicher wüsste, dass Kinder kaum Überträger sind. Lapidare Antwort meiner Freundin, die hätten keine Angst, noch wären sie krank. Die würden sich nur krankmelden, weil die Kita oder Schule wegen Corona-Verdacht kurzfristig geschlossen worden wäre und die Generation der Helikoptereltern es heutzutage ja keinem Kind, gleich welchen Alters, mehr zumuten würde, alleine zu Hause zu bleiben.

 

Damit schließt sich der Kreis und wir wären wieder bei der Bundesregierung und ihrem fatalen Knieschuss beim Versuch Schulen und Kitas um jeden Preis offen zu halten (Anm.d.Red.: Grundsätzlich kein schlechter Plan, aber nur basierend auf einer komplett anderen Strategie mit neuen Kennzahlen, die nicht alle panisch werden lässt, wenn sich mal ein paar Zehntausend aus der nicht vulnerablen Gruppe infizieren). Medizinisches Personal hat nun mal kein Homeoffice und ist auch, natürlich mit Ausnahmen, nicht die Heldengilde, zu der sie Jens Spahn und Co. gerne bei jeder Gelegenheit stilisieren. Das sind Menschen wie du nicht ich, die sich jedes Mal, wenn sich im privaten Bereich eine Situation ergibt, die deren Anwesenheit erfordert, ebenso schnell die Bettpfanne und das Stethoskop fallen lassen, wie der Maler den Pinsel oder die Fleischfachverkäuferin das Hackebeilchen (Anm.d.Red.: Natürlich gibt es Ausnahmen. Das sind dann aber handverlesene, überzeugte Altruisten und/oder alleinstehende, kinderlose Singles ohne Verwandte in den vulnerablen Gruppen. Ich hatte heute eine Voruntersuchung im Krankenhaus. Eine Gelegenheit, die ich aus recherchetechnischen Gründen natürlich nutzte, um Vergleichsdaten zu bekommen. Ergebnis: Hoher Krankenstand, wenig Corona-Infektionen beim Personal, kaum Corona-Infizierte auf Intensiv, aber trotzdem hart am Limit aus anderen Gründen. Quod erat demonstrandum!). Hat man diesen Zusammenhang erst einmal erkannt, ist es nicht schwer sich zu erklären, wieso wir dank des Lockdowns ´light´ gerade die, ohnehin schon knappen Ressourcen an medizinischen Personal weiter in die Grütze fahren und die hohen Corona-Zahlen nicht unbedingt dafür verantwortlich sind. Die gerade aufkommende Diskussion die Weihnachtsferien zu verlängern ist, vor diesem Hintergrund, an Lächerlichkeit kaum mehr zu überbieten. Das hindert aber weder Bundes- noch Länderregierungen daran, sie trotzdem zu führen.  Professionelles Krisenmanagement sieht anders aus.