Münchner Puppenkiste

Ich wollte wirklich mit den Zahlen anfangen, ich schwör! Doch dann trat Söder mal wieder vors Publikum. Ich bin mir inzwischen nicht mehr sicher, ob der bayrische Ministerpräsi wirklich noch persönlich seine täglichen Pressekonferenzen, Regierungserklärungen, Lageberichte und Stellungnahmen abgibt oder ob es sich nur noch um eine Söder-Puppe handelt und er im Hintergrund unerkannt seine Fäden spinnt, um Merkel zu beerben. Das würde zumindest erklären, wieso seine Reden seit Tagen nicht nur nervtötend lang sind, sondern auch identischen Inhalt und Aufbau haben: Emotionale Keule zur nie dagewesenen Herausforderung der Corona-Pandemie, Schuldzuweisungen an alle Kritiker, Beschreibung der katastrophalen Lage auf den Intensivstationen, Schuldzuweisung an alle Kritiker, Aufzählung der bayrischen Verschärfungen, moralisch erhobener Zeigefinger ob aller Corona-Toten, Selbstlob und Vergleich mit dem Mist, den alle anderen Länder produzieren, Schuldzuweisung an alle Kritiker, diesmal unter Androhung von Strafen und unter Nennung eines aktuellen Beispiels, Hervorhebung der Alternativlosigkeit aller Maßnahmen wegen der hohen Infektionszahlen, Schuldzuweisung an alle Kritiker, Herbeireden einer Spaltung der Bevölkerung, Gott schütze Bayern und Abgang!

Ich habe inzwischen aufgegeben dem bayrischen Ministerpräsidenten ´en detail´ zuzuhören, bei mir erzeugt sein vorwurfsvoller Blick allein inzwischen schon einen veritablen Brechreiz (Anm.d.Red.: Ich frage mich, ob er gegenüber Jens Spahn denselben Blick draufgehabt hat, als der sich seinerzeit infiziert hatte). Trotzdem sehe ich es nach wie vor als meine Aufgabe einen Stock in die Speichen seiner Gebetsmühle zu stecken. Zumindest dort, wo ich seine Ausführungen anzweifeln muss. Also praktisch überall.

Fangen wir mit Söders Dauerschuldigen, den Corona-Verweigerern an. Hier dürfte keiner, der klaren Verstandes ist, der Argumentation folgen können. Wie soll diese kleine Gruppe, von der in Regierungskreisen immer die Rede ist, eine überwältigende Mehrheit anstecken, die doch angeblich alle Regeln befolgen und permanent und überall mit Abstand und vor allem Masken durch die Gegend rennen? Woher kommen also dann die hohen Infektionszahlen? Diese bösen Menschen gehen sicher nicht absichtlich beziehungsweise unerkannt in Altenheime und Schulen und stecken dort die Leute an (Anm.d.Red.: Hier gilt grundsätzlich: Ein Corona-Kritiker würde nie ohne Vorsichtsmaßnahmen zu alten und/oder kranken Menschen gehen. Das hatte aber auch vor Corona schon Gültigkeit. Ich nehme an, dass selbst einer dieser bekloppter Corona-Leugner, von denen Markus Söder scheinbar 100% mehr kennt als ich, nicht so drauf wäre). Wie soll das auch gehen, schließlich sollte es den Betreffenden auffallen, wenn man ihnen die Maske runterreißen und ins Gesicht ´aerosolieren´ würde. Folglich bleiben nicht viele denkbare Alternativszenarien für die södersche Theorie übrig. Mir fallen genau zwei ein: Entweder ist die Story von der überwältigenden Mehrheit der braven folgsamen Deutschen eine Mär und die meisten treiben coronalen Ungehorsam und infizieren sich fröhlich im Kreis, sobald sie im privaten Bereich dem Zugriff der staatlichen Kontrollinstanzen entzogen sind oder aber die berühmten AHA-Regeln bringen doch viel weniger, als man uns glauben machen will. In dem Fall müsste man doch wieder über eine gänzlich andere Ansteckungssystematik nachdenken.

Für beide Szenarien gilt jedoch. Die allgemeinen Einschränkungen und Regeln schädigen nur der Freiheit des einzelnen und der Wirtschaft im Allgemeinen, aber sie wirken sich definitiv nicht signifikant auf die Reduzierung der Neuinfektionen aus. Somit muss ich Herrn Söder auch hier widersprechen, wenn er sein berühmtes Nachschärfen der Maßnahmen propagiert. Wann sehen die Verantwortlichen endlich ein, dass es in einer Pandemie immer zu Ansteckungen kommen wird? Die Zahlen mögen ein wenig zwischen unterschiedlichen Kulturen variieren, aber der Grundzusammenhang ist überall gleich: Je niedriger die Durchseuchung, desto höher die Ansteckungsrate.

Die Regierung hat uns mit ihrer Strategie der absoluten Infektionsvermeidung über alle Altersgruppen nicht vor Corona beschützt. Das macht der gesunde Körper in 99% der Fälle schon selbst. Sie haben vielmehr jetzt in der zweiten Welle, aufgrund mangelnder Durchseuchung im Frühjahr, die steigenden Todeszahlen in den vulnerablen Gruppen erst zu verantworten. In diesem Kontext ist es abscheulich und geradezu zynisch mit tränendrüsendrückenden Werbespots, von Menschen mit schwerem Verlauf oder verstorbenen Angehörigen eine Schuld in der Bevölkerung an der Infektions-Entwicklung zu erzeugen, nur um von dem eigenen Versagen abzulenken.

Auch beim Kaschieren des eigenen Versagens ist Markus Söder ganz vorne dabei und allein schon deshalb muss man ihm mit aller Macht widersprechen, wenn er Corona- Kritikern moralische und ethische Verwerflichkeit vorwirft, weil sie angeblich im Gegensatz zu ihm die Corona-Toten nur als eine Statistik sehen würden (Anm.d.Red.: Es ist seltsam, dass derselbe Mann kein moralisches Problem hat, ständig dieselbe Statistik zu bemühen, wenn er sich wieder gegenüber anderen Ländern ob des guten deutschen Krisenmanagements brüstet. Hier kann der interessierte Betrachter sehr gruselig nachvollziehen, wie die Corona-Pandemie den Blick von Presse und Bevölkerung auf die Politik getrübt hat. Noch vor einem Jahr hätte man jeden Politiker geteert und gefedert, wenn der auf die Idee gekommen wäre, für seinen Berufsstand Ethik und Moral zu proklamieren, während im Mittelmeer Menschen ertrinken oder anderswo an Hunger, Krieg und Epidemien sterben). Keinem empfindungsfähigen Menschen ist der Tod anderer egal und allein deshalb ist es vielmehr unethisch mit diesem Vorwurf zu argumentieren, zumal es Söder klar sein dürfte, dass man als Corona-Skeptiker einzig die Chance hat diese Statistiken zu bemühen, will man der Regierung überhaupt Gegenargumente entgegenbringen.

Sinnlose Maßnahmen und Bestrafung bei Nichteinhaltung sind der falsche Weg. Einzige Möglichkeit, die man in der verfahrenen Situation noch hätte, wäre der verstärkte Schutz der Risikogruppen, wie es uns Boris Palmer in Tübingen vormacht (Anm.d.Red.: Der Oberbürgermeister hat bereits an vielen Stellen alternative Ansichten zur Meinungsdiktatur der Regierung aufgezeigt und meiner Meinung nach meist richtig gelegen, siehe unter anderem mein Blog vom 07.05.20, ´Wenn zwei das Gleiche tun…´). Nach eigener Aussage gab es in Tübingen seit Mai weder Infektionen noch Todesfälle in den vulnerablen Gruppen der über 75-jährigen. Erreicht wurde dies nicht mit dem hirnlosen Rumtelefonieren der Gesundheitsämter oder dem panischen Testen durch alle Altersgruppen – natürlich dürfte diese Sinnlosigkeit aufgrund geltenden Vorgaben von Bund und Ländern parallel auch in Tübingen stattfinden – sondern mit dem konsequenten Schutz der vulnerablen Gruppen. Großraumtaxis für ältere Menschen für 2,50€ sowie spezielle Einkaufszeiten von 9 bis 11 Uhr vormittags, kostenlose Schnelltests für jeden, der mag und FFP 2 kostenlos für die vulnerablen Gruppen und natürlich die Überwachung der Alten- und Pflegeinrichtungen. Auch wenn die PCR-Tests nicht wirklich zuverlässig eine Infektion nachweisen, scheint es immerhin auszureichen, beim Nachweis einer Viruslast sofort Pflegekräften, Bewohner und vor allem Besuchern von Alten- und Pflegeeinrichtungen zu isolieren.

Wenn man also wirklich etwas gegen die Todesopfer tun will, sollte man diesen, auch von mir dauernd geforderten Weg des Schutzes der vulnerablen Gruppen gehen. Der Erfolg in Tübingen straft die Bemühungen der Bundesregierung Lügen, denen nichts anderes einfällt als nächtliche Ausgangssperren oder Schließung des Einzelhandels.

 

Abschließend kann ich nur feststellen, dass Markus Söder in allen Punkten unrecht hat. Noch nicht einmal sein aktuelles Beispiel coronalen Ungehorsams, das er stets gerne in seinen Reden einstreut, wahrscheinlich um wenigstens eine Varianz ins ewig Gleiche seines Sermons zu bringen, kann unkommentiert stehen gelassen werden. Dieses Mal thematisierte er die sogenannten Glühwein-Partys. Nach den Corona-Partys im ersten Lockdown und den Party-Urlaubern im Sommer nun der ´Winter-Place to be´ an dem sich nach Söders Ansicht die bösen Corona-Spreader zusammenrotten und alle in den Abgrund reißen, weil sie nicht nur vergorene Trauben zu sich nehmen, sondern sich auch in selbigen zusammenrotten. Was für ein Quatsch ein paar Leute, die sich im Freien treffen zu stigmatisieren, während er offensichtlich übersieht, dass immer noch überfüllte Busse und Bahnen durch die Weltgeschichte schaukeln und man sich in Kirchen und Moscheen trifft, um sich die Seele aus dem Leib zu singen. Ich will aber nicht ungerecht sein. Mit einer Feststellung hatte Markus Söder dann doch recht: Man zieht die Maske aus, bevor man Glühwein trinkt. Eine Erkenntnis, die zwar jetzt mehr der menschlichen Anatomie als söderscher Gehirnakrobatik geschuldet ist, aber mein Opa hat schon gesagt, man soll im Reden und Handeln eines Menschen stets etwas Gutes suchen.