Bewegliche Ziele

Heute ist mal wieder der berühmte Bund-/Ländergipfel. Der Strategietreff für machtgeile Politiker in dem abgesprochen wird, was man der Bevölkerung noch an Lockdown zumuten kann, um die eigene Machtposition weiter zu sichern. Auf jeden Fall genug, dass man mit dem Knechten weitermachen kann wie bisher, aber nicht zu viel, weil sonst die Gefahr von Unruhen steigt, wobei sich solcherlei Aktivitäten beim Großteil der Deutschen eher auf eine ´innere Unruhe´ beschränkt. Während in anderen Ländern Steine fliegen, sieht man hierzulande tatenlos zu, wie die Politik heiße Luft von einer Seite zur anderen fächelt. Permanent werden in den Medien leere Versprechungen auf Lockerungen gemacht, immer verbunden mit verschwurbelten Hinweisen auf entsprechende Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, bevor es dazu kommen kann. Da ist die Rede von flächendeckenden, kostenlosen Tests für jedermann als Voraussetzung für Erleichterungen und schon am nächsten Tag befürchtet schon wieder jemand, dass damit eine ungewollte Sorglosigkeit im Umgang mit den Beschränkungen gefördert und einen dritte Welle befeuert wird (Anm.d.Red.: Es gibt keine dritte Welle, maximal ein erneutes Ansteigen der Infektionszahlen. Das kann jederzeit, wie in jeder anderen Corona-Saison bis Mai erfolgen. Je nachdem, wie die Witterung in der Grippezeit die Infektionen begünstigt. Ich werde nicht müde diese alternative Erklärung anzuführen, denn sie ist nicht abwegiger als die Untergangsszenarien von Karl Lauterbach). Da werden in der Öffnungsdiskussion Begriffe, wie beispielsweise der der ´körpernahen Dienstleistung´ ins Gespräch gebracht, nicht um differenzierter zu arbeiten, sondern nur, um noch mehr zu verwirren. Wie kann man überhaupt über die Öffnung von Geschäften diskutieren, in denen Dienstleister und Kunde auf Tuchfühlung gehen aber gleichzeitig den Einzelhandel kategorisch ausnehmen. Immer nach dem Mott0: Scheiß die Deppen zu, dann stellt auch keiner unbequeme Fragen. Sinnloses Gelaber auf allen Seiten ohne, dass die Regierung irgendeinen Handlungsdruck verspüren würde. Auch die Vertreter, Verbraucherverbände und Gewerkschaften der betroffenen Branchen machen keine Anstalten Druck aufzubauen und wimmern nur seit 12 Monaten über eine nahende Pleitewelle in Gastronomie, Kultur und Einzelhandel.

Nach außen hin, also in den Medien, gaukeln viele Ministerpräsidenten den starken Willen nach Lockerungen vor, weil das gerade die aktuelle Stimmungslage im eigenen Bundesland erfordert.  Aber selbst, wenn der betreffende Landesvater das ernsthaft in Erwägung ziehen würde, wird er sich letzten Endes wieder auf den kleinsten gemeinsamen Nenner committen. Keiner der Lockerungsbefürworter wird sich zu weit aus dem Fenster lehnen. Sollten die Infektions- oder gar die Todeszahlen bei einem Alleingang auch nur marginal ansteigen, was sie wie gesagt noch bis Ende der Corona-Saison im Mai jederzeit tun können, käme es einem politischen Selbstmord gleich, wenn man vorher gegen den Willen der Kanzlerin und der Regierung im Alleingang zu weit gelockert hätte. Volkswohl ist das Letzte, was einen Politiker dazu bewegen würde, das Risiko einzugehen, ans Corona-Kreuz genagelt zu werden.

Inzwischen sieht es wohl so aus, als wenn am Ende des heutigen Treffens mit Angela Merkel nur Blumenläden, Gartencenter, Nagelstudios, Fußpflege und Friseure wieder geöffnet werden. Alles andere bleibt bis Ende März gearscht, egal wie gut die Hygienekonzepte sind (Anm.d.Red.: Man will ernsthaft über einen Zoobesuch nach voriger Terminvereinbarung nachdenken? Manchmal muss man sich wirklich fragen, ob die Regierung hinter verschlossenen Türen gar nicht mehr verhandelt, sondern nur noch eine Art perverse Challenge am Laufen hat, in der der Ministerpräsident gewinnt, der es schafft, den Idioten in der Republik die abstruseste Idee zu verkaufen, ohne dass einer aufmuckt). Ich kann mich angesichts der selektiven Öffnungsfarce nur noch fragen: Wie schwul ist das denn? Was soll ich mit einem Gartencenter oder einem Blumengeschäft? Ich will einen Baumarkt, ich will etwas mit meinen Händen erschaffen und damit meine ich keine Blümchen pflanzen. Maximal das Hochbeet aus einer halben Tonne Beton zusammengießen, an der Stelle, wo ich vorher zwei 100-jährige Eichen mit der größten Axt oder Stihl-Kettensäge, die für Geld im Baumarkt zu bekommen war, fachmännisch gefällt und zerlegt habe. Dann dürfen von mir aus alle zarter Besaiteten in meinem Umfeld dort Primeln oder so einen Trullafulla-Kram einpflanzen und mit Ostereiern dekorieren, während ich in der Kneipe, vor meinen Freunden bei 10-20 Bier mit meinen schöpferischen Heldentaten angeben kann. Wie meine Fingernägel, meine Frisur oder gar die Parmesan-Ferse in meinen Sicherheitsschuhen dabei aussehen, ist mir dabei sowas von egal. Welches Pussies haben sich bitte diese Öffnungsstrategie ausgedacht? Jens Spahn und die Kanzlerin beim Gruppenepilieren der Bikinizone …? (Anm.d.Red.: Ich hätte nie gedacht, dass mir von selbsterzeugten Bildern im eigenen Kopf schlecht werden kann. Inzwischen weiß ich es besser).

Ich kann dieses Volk nicht mehr verstehen. Sie hören stoisch beziehungsweise maximal leise grummelnd zu, wie Politiker darüber diskutieren, einen noch nie zielführenden Lockdown weiter auf Basis sinnloser, immer niedriger werdenden 7-Tages-Inzidenzen aufrechterhalten zu wollen, obwohl die Folgen für das wirtschaftliche und soziale Leben schon jetzt nicht mehr reparabel sind.

In Bezug auf die ominöse 35er Inzidenz besteht noch ein ganz anderes Problem.  Nur noch einmal zur Erinnerung: Die Inzidenzzahlen zeigen nicht die Infektionszahlen, sondern nur die Zahl der positiven Tests. Da war doch was? Richtig, die Zahl ist abhängig von der Gesamttestkapazität! Wir erinnern uns, wer viel oder zielgerichtet testet wird entsprechend sofort mehr finden. Wenn nun geplant wird, die Schnelltests auszuweiten, bedeutet das sofort einen sprunghaften Anstieg der PCR-Tests von derzeit knapp 1 Million pro Woche auf sicher wieder 1,6 Millionen. Schließlich muss jeder positive Schnelltest durch einen PCR-Test verifiziert werden. Die Kausalkette ist einfach: Mehr positive Schnelltests bringen mehr positive PCR-Tests, die wiederum den unsäglichen Inzidenzwert steigen lassen, obwohl sich am Infektionsgeschehen rein gar nichts geändert hat (Anm.d.red.: Wenn ich das erkenne, weiß das auch die Regierung und das ist für mich der Beweis, dass man uns noch lange nicht von der Kette lassen will). Die Regierung agiert auf Basis von Grenzwerten, die an den Haaren herbeigezogen sind. Genauso gut könnte man das Ende des Lockdowns an den Klassenerhalt von Schalke 04 in die Bundesliga knüpfen. Dieses Ereignis hat auch keinen Einfluss auf das Infektionsgeschehen in Deutschland, allerdings dürfte sein Eintreten momentan wahrscheinlicher sein als das Erreichen dieser bewusst beweglich gehaltenen Inzidenzziele der Bundesregierung.

Unbeeindruckt von der katastrophalen Lage in diesem Land, hat der Dax heute einen neuen Rekordstand erklommen, was nichts anderes heißt, dass die dumme Masse brav konsumiert, während die Konzerne und damit Lobbyisten und Politiker bestens mit der aktuellen Situation verdienen. Dieses Volk ist nur noch eine riesige Schafherde, die sich dumm blökend vollfrisst und tatenlos darauf wartet, wie sie wahlweise von ihren Besitzern geschoren oder von den Wölfen gerissen wird.

 

Bei Redaktionsschluss dauerte der Gipfel im Kanzleramt noch an. Da ohnehin nichts Bahnbrechendes dabei herauskommen wird, wünsche ich einen schönen Abend!