Die Qual der Wahl

Neue Woche, steigende 7-Tages-Inzidenzien. Nicht, dass mich diese Zahl interessieren würde oder ich sie gar für brauchbar halten würde, aber bekanntlich hält unsere Regierung unbeirrt an diesem Kennwert als Maß aller Dinge fest, wenn es darum geht Regionen im Lockdown zu behalten oder nicht. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass wir bis Ende der Woche wieder bei einer Inzidenz von über 100 angekommen sein werden. Mit anderen Worten: Alles zurück auf Stillstand!

Natürlich erscheint es so gesehen etwas naiv, wenn einige Bundesländer mit kurzzeitig niedrigen Inzidenzen vorgeprescht sind und mehr geöffnet haben, nur um es eine Woche später wieder zu revidieren. Wenn man sich jedoch ins Gedächtnis ruft, dass an diesem Wochenende Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg waren, macht diese, vordergründig etwas naiv anmutende Open/Close-Mentalität durchaus Sinn, zumindest, wenn man in der jeweiligen Regierungsverantwortung dieses Bundeslandes ist.

Nicht, dass es jetzt einen übermäßigen Einfluss gehabt haben dürfte, aber ein paar Prozentpunkte für die amtierenden Ministerpräsis dürfte der, von Corona-Einschränkungen zermürbte Wähler durchaus angesichts der ´Lockerungs-Möhre´ spendiert haben, die man ihm einmal mehr vor die Nase gehalten hat. So manch SPD-Wähler wird ein böses Erwachen haben, wenn ihm die Landesregierung, bereits nächste Woche das gerade gemachte Wahlgeschenk einiger Lockdown-Lockerungen schon wieder wegnimmt.

Der weitaus größte Teil der Zustimmung für die SPD in RP und die Grünen in BW haben die beiden Parteien aber der Beliebtheit der jeweiligen Protagonisten zu verdanken: Malu Dreyer und Winfried Kretschmann. Ich stimme der allgemeinen Sichtweise der Mainstreammedien zu, dass die beiden ersten Landtagswahlen des Jahres ´Personenwahlen´ waren und sicher nicht das Resultat einer progressiven Politik die beiden Parteien auf Bundesebene. Selten hatten Politiker mehr Sympathiewerte als diese beiden. Besonders die fast schon konservative Sichtweise auf die Wirtschaft, wie es Winfried Kretschmann seit Jahren praktiziert und die den Reichtum seines Hochtechnologie-Bundeslandes unerwarteter Weise auch unter einem Grünen Ministerpräsidenten sicherte, hat seinen Erfolg überhaupt erst ermöglicht. Mit einem Spitzenkandidaten á la Robert Habeck dagegen und seinen nicht finanzierbaren Fantasien einer grünen Zukunft, würden die Grünen in Baden-Württemberg um Beteiligung betteln, statt eine Regierung bilden zu dürfen. Ohne Dreyer und Kretschmann hätten CDU-Abgeordnete in Berlin gar nicht so viele Masken vermitteln können, als dass sie einen Wahlsieg der CDU in RP und BW hätten verhindern können. Natürlich hat die historisch hohe Briefwahlbeteiligung von über 60%, mit Stimmen, die bereits vor dem Hochkochen des Maskenskandales abgegeben worden waren, der CDU bei den Landtagswahlen ein größeres Fiasko erspart, allerdings reden wir auch hier nur von ein paar Prozentpunkten.

Auch der AfD hat die Briefwahl ein Bein gestellt, denn der gemeine Unterstützer der rechten Partei hat eine diffuse Abneigung gegen selbige (Anm.d.Red.: Ich gehe davon aus, dass daran Donald Trump und seine Wahlbetrugsvorwürfe durch die Briefwahl in den USA nicht ganz unschuldig war). Der fehlende Straßenwahlkampf und die unfaire Einmischung des Verfassungsschutzes, der ankündigte die AfD zukünftig beobachten zu wollen, dürfte ein Übriges getan haben. Dabei spielt es keine Rolle, dass das Verfassungsgericht diese Absichten bereits ein paar Tage später gekippt hatte. Dank solcher Ereignisse und dem ständigen Wiederholen anderer Parteien, es handele sich bei der AfD nicht um eine demokratische Partei bleibt aber nur dieses ungute Gefühl im Hinterkopf des Bundesbürgers haften (Anm.d.Red.: Solangein der AfD nach wie vor rechtsextremes Gesocks wie Björn Höcke rumschleicht und von vernünftigen Politikern  keine klare Abgrenzung erfolgt, mögen alle anderen Parteien mit dieser Strategie durchkommen. Die Beispiele in Frankreich, Polen, Ungarn und den Niederlanden zeigen aber, wie schnell eine rechtes Regierungsszenario erschreckend real werden kann. In diesem Zusammenhang ist es auch nicht hilfreich, wenn die Medien, wie gestern in den Interviews nach der Wahl alle Spitzenkandidaten ausreden ließen und nur den AfD Politikern das Wort abschnitten. Mir zumindest stößt so etwas bei einer angeblich neutralen Berichterstattung sauer auf und Wutbürger fängt man dadurch auch nicht gerade wieder ein. Ich kann allen sogenannten und selbsternannten demokratischen Kräften in unserem Land nur raten, auch in Bezug auf unangenehme Themen endlich den sachbezogenen Diskurs zu suchen. Sonst sucht sich der Wähler irgendwann den Politiker, der ihm einfach nur eine Lösung für sein Problem verspricht. Das ist noch selten gutgegangen).

Inwieweit das Lancieren der Maskengeschäfte der CDU-Abgeordneten und die Nummer mit der AfD-Beobachtung durch den Verfassungsschutz genau zum richtigen Zeitpunkt kamen, um die ersten Wahlen des Jahres für die Landtage nicht unbedeutend zu beeinflussen, mag nicht nachweisbar sein. Trotzdem halte ich das in etwa so wahrscheinlich, wie das es sich beim regelmäßige Auftauchen von Reichsbürgern auf Anti-Corona Demos um eine perfide Deskreditierungsstrategie handeln könnte (Anm.d.Red.: Vor Corona kannte ich Reichsbürger nur als Verrückte, die sich hinter Zäunen verschanzten und ihre Bumsbude als eigenen Staat im Staate ansahen, weil sie das Kaiserreich zurückwollen. Mag sein, dass ich mich irre, aber wieso sollten sie ausgerechnet zu Corona-Zeiten aus den Löchern kommen, um die Rückgabe von Freiheitsrechten in einer Demokratie einfordern, die sie selbst ablehnen?). Natürlich kann das alles Zufall sein, aber es ist Politik und da sollte man inzwischen auch als politischer Teilzeitinteressierter gelernt haben, dass im Wahlkampf mit Dreck zu werfen immer einfacher ist als zu argumentieren.

Diese beiden Wahlen waren somit in allen möglichen Hinsichten kein Stimmungsbarometer für die Bundestagswahl im September. Deshalb bin ich nach wie vor überzeugt, dass sich schon in den nächsten Landtagswahlen, bei denen ein Ministerpräsident weniger charismatisch daherkommt, ein etwas anderes Stimmungsbild ergeben könnte.

Apropos ´anderes Stimmungsbild´ kurz vor Redaktionsschluss hat Jens Spahn noch mit einer Menge anderer europäischer Länder gleichgezogen und die Verimpfung von AstraZeneca ausgesetzt. Grund sind einige Todesfälle unter Impflingen, die kurz nach Impfungen Thrombosen der Hirnvenen bildeten. Inwieweit also die letzte Woche schon angesprochenen Blutgerinnsel dafür ursächlich sind, muss nun untersucht werden. Damit hat der Bundesgesundheitsminister nicht nur den Vertrauensverlust, den dieser Impfstoff seit Wochen ohnehin schon erfahren hat, weiter beschleunigt, sondern er hat auch einen weiteren Nagel in seinen Karrieresarg geschlagen. Ein paar neue Impfgegner werden sicher auch noch dabei herausspringen.

Mir als Corona-Skeptiker und Impfverweigerer liegt es natürlich überhaupt nicht, nachzutreten. Deshalb werde ich an dieser Stelle nicht darauf herumreiten, dass ich der kurzen Entwicklungszeit beim Corona-Impfstoff ebenso wenig getraut habe, wie der neuen Methode nach der er hergestellt wird (Anm.d.Red.: Siehe mein Blog vom 10.09.20, ´Impfverweigerer, Teil 2´). Im Zusammenhang mit Todesfällen ist eine ´Ätschi-Bätsch-Mentalität´ abzulehnen und deshalb ist es nicht schicklich daran zu erinnern, wer uns aus Politik und allen angeschlossenen Instituten in den letzten Monaten versichert hat, dass der Impfstoff zwar wahnsinnig schnell, aber total sicher entwickelt worden ist (Anm.d.Red.: In diesem Zusammenhang muss ich etwas tun, was ich in diesem Leben nicht geglaubt hätte: Hiermit zolle ich  Karl Lauterbach meinen Respekt. Nicht weil er unbedingt Recht hat, wenn er den Impfstopp in Deutschland für falsch hält, sondern weil er den Arsch in der Hose auch eine komplett diametrale Meinung zu vertreten und nicht nur mit einer ´immer einmal mehr als du´- Mentalität nur wieder einen auf die Beschlüsse der Regierung draufzusetzen).

 

Sicher wird sich der AstraZeneca Impfstopp als komplette Überreaktion herausstellen und kein Zusammenhang zwischen der Impfung und den Thrombosen herzustellen sein. Schließlich hat sich gerade bei Corona noch immer ein entsprechender Experte gefunden, der mit seiner Expertise das gewünschte Ergebnis bestätigt hat, das der Regierung gerade dienlich erscheint. Deshalb muss auch keiner in diesem Zusammenhang etwas auf meine haltlosen Unterstellungen geben, dass potentielle Langzeitwirkungen von Corona-Impfstoffen zum jetzigen Zeitpunkt noch gar nicht abzusehen wären (Anm.d.Red.: Siehe unter anderem mein Blog vom 25.11.21, ´Das Maß füllt sich weiter´). Ich bin sicher, sollten in 10 Jahren mal Leute reihenweise tot umfallen, wird man keinen Zusammenhang sehen. Wenn doch, werden sich sicher auch entsprechende Experten irgendwo ausgraben lassen, die die ehemaligen GroKo-Politiker entsprechend entlasten, sofern dann überhaupt noch welche aus seligen Pandemiezeiten in Amt und Würden sind. Denn in der Politik können Karrieren schnell vorbei sein. Die Herren Hauptmann, Willsch, Löbel und/oder Nüsslein können ein Lied davon singen. Aber auch beim guten Jensemann könnte es bald schon so weit sein.