Der Gott des Offensichtlichen

Gestern hatte das Magazin ´Kontraste´ bei den Öffentlich-Rechtlichen eine Knüller-Reportage rausgehauen. Ein Reporterteam hatte nach langen und intensiven Recherchen herausgefunden, dass AstraZeneca in Deutschland von der Bevölkerung nicht angenommen wird und hunderttausende Impfdosen irgendwo in Kühlschränken verrotten. Da kann man nur sagen: ´Hut ab´! Das ist Investigativ-Journalismus at its best. Da zahlt man doch gerne Rundfunkgebühren.

Ernsthaft, als mir mein Spielertrainer beim Volleyball vor 20 Jahren irgendwann mit seiner Selbstüberschätzung in der Kreisliga unerträglich wurde, habe ich meine Zahlungen an den Turnverein eingestellt und den Verein gewechselt. Als ich mir nicht mehr mit guten Gewissen das Treiben der katholischen Kirche mitansehen konnte, bin ich ausgetreten und habe meine Kirchensteuer lieber in eine Patenschaft für ein Kind in Südamerika investiert (Anm.d.Red.: Zölibat, Ablehnung von Verhütung und Kindesmissbrauch, um nur ein paar Themen zu nennen, mit der die Katholische Kirche in der Welt unsäglichen Leid erzeugt. Grundsätzlich halte ich aber die meisten Religionen für diskussionswürdig, den Islam sogar für das Maß aller Dinge, was Rückständigkeit und Rücksichtslosigkeit angeht. Allerdings bin ich da kein Mitglied, was ein Austreten obsolet macht). Hausarzt, Stromanbieter oder Restaurant. Alles kann man wechseln. Nur der GEZ entgeht keiner in Deutschland.

Bei Kontraste war es das berühmte ´Besser spät als nie´, denn jeder halbwegs informierte Bundesbürger und auch meine Wenigkeit haben gewusst, wie es um die Nachfrage am AstraZeneca Impfstoff steht. Sogar Menschen, die nicht so in der Materie drin sind, wie unser Bundesgesundheitsminister haben das Dilemma inzwischen erkannt. Nur so kann ich mir erklären, wieso Jensemann ganz clever mit einer Aufhebung der Impfpriorität bei AstraZeneca versucht, die Nachfrage beim normalen deutschen Durchschnitts-Michel anzukurbeln (Anm.d.Red.: Bei den sozialen Brennpunkten, Zuwanderern, Obdachlosen und allen, die es nicht so sehr mit der deutschen Ordnung halten, hat man sich, wie bereits erwähnt für Johnson&Johnson entschieden, weil hier eine einzige Impfung ausreicht. Hier würde ein fixer Folgetermin, wie ihn AstraZeneca nach drei Wochen erfordert, die Betreffenden nur unnötig stressen). Deshalb wurde auch heute pünktlich die Möhre an die Angel gehängt, damit die Esel auch alle brav in die richtige Richtung, also zum Impfzentrum oder Hausarzt traben, um sich so schnell wie möglich AstraZeneca spritzen zu lassen. Esel, denen der entsprechende Stempel im Impfpass wichtiger ist, als ihre Gesundheit dürfte es genug geben.

Ich hoffe in meiner Leserschaft glaubt keiner ernsthaft, dass die Bundesregierung ausgerechnet jetzt ihr Herz für die alten Menschen entdeckt hätte und deshalb heute die Lockerungen für Geimpfte durch die Instanzen gejagt hat (Anm.d.Red.: Die Genesenen lasse ich bewusst unerwähnt. Sie haben die Freiheiten ohnehin nur bis maximal 6 Monate nach durchlaufender Infektion und verlieren dann wieder diese Rechte. Mir stellt sich dabei ohnehin die Frage, wie viele überhaupt einen entsprechenden Beweis haben, wann genau ihre Infektion stattgefunden hat. Viele verliefen symptomlos also unbemerkt, die anderen haben wahrscheinlich teilweise auch kein Schreiben vom Gesundheitsamt, weil diese schon seit langem überfordert waren). Seit Pandemiebeginn war den Verantwortlichen vollkommen egal, ob hier alte Menschen an Isolation und in der Folge unter Vereinsamung leiden oder gar starben. Wichtig für den Politiker war nur, dass man ihm bei seiner Karriereplanung keine Corona-Toten unterschieben konnte. Wenn hier jetzt plötzlich 90-jährige ohne Test zum Friseur, ins Einkaufszentrum und auch bald wieder in Urlaub und in die Gastronomie dürfen, weil sie als Risikogruppen inzwischen geimpft sind, ist das maximal ein angenehmer Nebeneffekt. Hochaltrige Menschen sind nun nicht unbedingt als Zielgruppe in diesen Branchen bekannt und gefragt. Sie machen auch keine spontanen Kellerpartys oder andere Saufgelage, weil die Kontaktbeschränkungen für sie nicht mehr gelten.

Das Lockerungsgesetz zum jetzigen Zeitpunkt dient vielmehr dazu, AstraZeneca an den Mann oder die Frau aber auf jeden Fall in den Arm zu bringen. Aber auch die Impfbereitschaft im Allgemeinen soll damit promotet werden, denn je weiter die Zahl der Geimpften steigt, umso schwieriger dürfte es werden bei der impfbereiten Bevölkerung aus dem Vollen zu schöpfen. Je näher man mit der Impfquote Richtung Herdenimmunität kommt, desto mehr werden die Impfverweigerer ins Gewicht fallen (Anm.d.Red.: In diesem Zusammenhang spielt die Impfung von Kinder und Jugendlichen eine zunehmende Rolle. Im Juni wird zwar aller Voraussicht nach ein Impfstoff von Biontech freigegeben werden, aber knapp die Hälfte aller Eltern steht einer Impfung ihres Kindes ablehnend gegenüber). Die Verordnung über Lockerungen für Geimpfte ist eine Impfpromotion für AstraZeneca im Speziellen und für die Förderung der Impfbereitschaft im Allgemeinen. Nicht mehr und nicht weniger.

Aber allein diese Strategie wird nicht ausreichen, um genug Bevölkerungsteile zu aktivieren. Spätestens hier kommt die gerade laufende Neiddiskussion ins Spiel, die besagt, dass Ungeimpfte den Geimpften ihre Freiheiten nicht gönnen wüden. Sie mag in zweiter Linie als moralisches Feigenblatt dienen, das man sich als Politiker vorhalten kann, um den Eindruck zu vermitteln, man mache sich Entscheidungen nicht leicht und denke allen Ernstes an das Gemeinwohl und nicht an seinen eigenen Vorteil. Also auf jeden Fall nicht nur. Außerdem ist sie eine gute Entschuldigung für das weitere Aufrechterhalten der unliebsamen Corona Abstands- und Hygieneregeln auch für Geimpfte.

Viel wichtiger ist aber zu erkennen, dass die Politik hier keine Diskussion führt, die man ihr von der Gesellschaft aufgedrängt hat. Ich bin überzeugt sie hat selbige vielmehr in voller Absicht über die willfährigen Medien losgetreten, um noch mehr Menschen zu erreichen, die man dadurch zur Impfung drängen will. Die Bundesregierung ist realistisch genug, um zu wissen, dass mit den nächsten Priogruppen nicht nur das Risiko abnimmt schwer an Corona zu erkranken, sondern damit auch die Bereitschaft sich impfen zu lassen.

Mit bloßen Versprechungen zukünftiger Lockerungen kommt man da nicht weiter. Solange alle im Lockdown-Boot sitzen, ergibt man sich seinem Schicksal, wohlwissend, dass es allen gleich schlecht ergeht (Anm.d.Red.: Privat wurden zwar Corona-Regeln überall missachtet, aber das waren anonyme Medienberichte. Sie fanden im privaten Raum statt und hatten nicht das Zeug dazu, Neid auszulösen).  Selbst ohne die unsäglichen Inzidenzen sind die wirklichen Verlockungen, wie Gastronomie, Kultur, Volksfeste oder Besuche von Sportveranstaltungen noch in weiter Ferne. Wie also das Volk zum Impfen bringen, wenn man eigentlich noch gar nicht mit echten Spaßveranstaltungen locken kann und das auch gar nicht will? Hier schlägt die große Stunde des Neides. Er ist nicht umsonst eine Todsünde, denn keinen kann sich davon freimachen. Außerdem reicht ein nichtiger Anlass und fast noch wichtiger, dem Neidenden muss es noch nicht einmal nach denselben Vergünstigungen gelüsten, sondern es reicht vollkommen, wenn der andere sie auch nicht erhält.

Nun mag der Deutsche Weltmeister in den Disziplinen Neid und Missgunst sein. Trotzdem möchte ich mit einem Beispiel aus der Türkei schließen, dass meiner Meinung nach sehr gut veranschaulicht, wieso auch die Bundesregierung damit rechnen kann, dass ihr Plan, in Sachen Impffreiheiten Neid zu sähen, aufgeht.

Im Jahr 2017 wurde der Journalist Deniz Yücel in der Türkei wegen Landesverrat verhaftet, weil er einen kurdischen Witz abdrucken ließ (Anm.d.Red.: Bei Interesse kann die hanebüchene Story gerne in meinem Buch ´Kinder von Arschlöchern werden oft selbst zu Arschlöchern´ unter dem Kapitel ´5. März - Du kommst hier nicht rein´ nachgelesen werden). Ein Kurde und ein Türke sind zum Tode verurteilt. Gefragt nach seinem letzten Wunsch sagt der Kurde: ´Ich möchte noch einmal meine Mutter sehen´. Daraufhin fragt man den Türken, was denn sein Wunsch sei: ´Ich wünsche mir, dass der Kurde seine Mutter nicht sieht!´

 

Schönes Wochenende!