Beschissene Tests, Teil 1

Wenn ich vom Finanzamt mit meiner Steuererklärung Geld für Reparaturen an der Immobilie zurückhaben will, dann lege ich die entsprechenden Handwerker- und Baumarktrechnungen bei. Wenn ich bei meiner Krankenversicherung Geld für Arztbesuche bekommen will, dann reiche ich Belege ein. Wenn ich an der Kasse vom Ploppi-Getränkemarkt Geld für zuvor abgegebenes Pfand bekommen will…ja, du da in der letzten Reihe...richtig! Dann sollte ich einen entsprechenden Kassenbon vorzeigen können. Diese Kausalzusammenhänge bekommt sogar der Grundschüler nach einem Jahr Wechselunterricht hin.

Übers Wochenende hat der Betrugsskandal um die Corona-Schnelltestzentren weite Kreise gezogen. Letzte Woche kam bei Stichproben heraus, dass einige gewerblich betriebene Schnelltestcenter in betrügerischer Absicht bis zu 10-mal mehr Testungen bei den Behörden angegeben hatten, als in Wirklichkeit durchgeführt worden waren. Nach aktuellen Schätzungen ist dabei ein Schaden in noch nicht bekannter Millionenhöhe entstanden. Während alle noch mit Kopfschütteln beschäftigt sind, kommt der Bundesgesundheitsminister angeschissen und teilt auf verwunderte Nachfrage der ´Offenen-Mund-Fraktion´ mit, dass die Betreiber der Corona-Schnelltestzentren bis dato keinerlei Belege einreichen mussten, sondern einfach nur angaben, wie viele Schnelltests sie durchgeführt haben, um unkompliziert bis zu 18€ pro Test zu erhalten. Die Betonung liegt übrigens auf unkompliziert, denn seit dem offiziellen Start dieser Schnelltestoffensive hat man in der Presse wenig Klagen hören können. Im Gegensatz zu den Gastronomen. Bei meiner letzten Nachfrage haben die noch auf die Auszahlung der Novemberhilfen gewartet (Anm.d.Red.: Wer sein Lokal in 2020 neu eröffnet hat bekommt übrigens gar nichts, weil er keine Nachweise über vergangene Umsätze hat und darf Stütze beantragen. Da sieht man mal, dass die Verantwortlichen schon auf Belege Wert legen, wenn es darum geht den braven Bürger zu verarschen). Ich kann mir vorstellen, dass man als Gastronom schon eine gehörige Portion an Gleichmut braucht, um zuzusehen, wie das eigene Lebenswerk wegen ausbleibender Staatshilfen den Bach runter zu gehen droht, andere ein Zelt aufstellen und für ein bisschen Nasenbohren und schneller Geld vom Staat bekommen, als es braucht, um ein Pils Zapfen zu zapfen. Aus diesem Grunde haben beispielsweise im Dortmunder Kreuzviertel Kneipenbesitzer kurzerhand eine Testlizenz beantragt und das Lokal in einen Schnelltestcenter umfunktioniert.

Aber zurück zum eigentlichen Thema, dem Betrug bei den Schnelltests. Mir erschließt sich in keiner Weise, wie es soweit kommen konnte. Um seine Ausstände für durchgeführte Testungen einzureichen, ist schließlich mehr erforderlich als ein Anruf beim Bundesgesundheitsministerium (Anm.d.Red.: Falls es interessiert, die Kassenärztliche Vereinigungen, abgekürzt KV, sammeln die Abrechnungen aller Leistungserbringer und melden den Betrag zur Abrechnung an das Bundesamt. Dieses zahlt dann am 15. eines Monats aus Mitteln des Gesundheitsfonds den Gesamtbetrag an die KVen, die die Zahlungen an die Anbieter weiterleiten). Wenn man also ein entsprechendes Formular analog oder online einreichen muss, frage ich mich, wo das Problem liegt, die Rechnungen anzufügen, die Auskunft über die Menge an gelieferten Corona-Test-Kits geben. Wenn man 10.000 Kits bestellt hat, kann man nicht 30.000 durchgeführte Testungen beanspruchen. Das versteht sogar ein dressierter Affe.

Apropos Primat, ich habe keine Ahnung, ob die Medien in pavlovscher Konditioniertheit inzwischen sofort bei ihm anrufen, wenn das Wort Corona fällt oder Karl Lauterbach jeden Morgen doch alle Sender abtelefoniert, um sich Sendezeit zu verschaffen. So auch heute wieder. Was aber den wenigsten bekannt gewesen sein dürfte, eigentlich ist Karl auch Experte in Sachen Controlling, denn er hat sich heute Morgen direkt zum Betrug an der Schnelltestfront geäußert: ´Das hätte man so nicht handhaben dürfen!´ Ehrfürchtiges Schweigen! Danke Herr Lauterbach für diese fundierte Expertenmeinung. Sollte die Corona-Brauerei mal in Schieflage geraten, wird man dich sicher auch zu diesem Thema um eine Einschätzung bitten.

Überhaupt war die Kritik an Jens Spahn bis auf ein paar harsche Worte bisher sehr moderat. Vorläufiger Kuschelhöhepunkt war gestern Abend die Talkshow bei Anne Will, zu dem der Bundesgesundheitsminister geladen war, um sich für die Versäumnisse zu rechtfertigen. Aber anstatt den Sack auf kleiner Flamme zu rösten, ließ man ihn ein paar fadenscheinige Ausflüchte zum Besten geben, obwohl es kaum Interpretationsspielraum geben dürfte. Nicht ein einziger Kontrollmechanismus war bei den Schnelltestcentern etabliert. Punkt! Sogar meine Omma hat in meiner Jugend erst einmal den Gehsteig begutachtet, bevor sie mir die Entlohnung in Form von Eis, Kuchen oder Schokolade ausgehändigt hat. Das ist keine Raketenphysik, das ist gesunder Menschenverstand. Es ist eine Frechheit sich nun, nachdem der Skandal publik geworden ist, hinzustellen und das Fehlen grundlegender Kontrollwerkzeuge damit zu entschuldigen, dass man der Bevölkerung unkonventionell und schnell einen kostenlosen Test bereitstellen wollte. Zum einen sind das die Basics eines rudimentären Projektcontrollings, zum anderen bestand zu Beginn der Testoffensive noch kein besonderen Zeitdruck. Die Resonanz auf das Angebot eines kostenlosen Schnelltestes hielt sich zunächst Ende letzten Jahres in sehr überschaubaren Grenzen, konnte man sich im besten Fall zu Hause, ob eines negativen Ergebnisses gegenseitig auf die Schultern klopfen. Schließlich war seit dem unsäglichen ´Lockdown light´ ohnehin alles geschlossen. Erst seit etwa 6 Wochen und mit Start der Modellregionen ging die Nachfrage in gigantische Höhen, da man sich mit dem Schnelltest alte Freiheiten zurückkaufen konnte. Es wäre genug Zeit gewesen, den Prozess in aller Ruhe entsprechend zu etablieren.

Man hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass Anne Will große Ambitionen hegte, dem guten Jensemann zu widersprechen. Im Gegenteil die geladenen Gäste waren offensichtlich sehr neutral gewählt und gingen gar nicht richtig auf die Versäumnisse des Bundesgesundheitsministers ein. Noch nicht einmal seine ungeheuerliche Aussage, er könne als Bundesgesundheitsminister diese Kontrollen aus Berlin nicht leisten, sondern sehe vielmehr die örtlichen Gesundheitsämter in der Verantwortung, wurde kommentiert. Nur falls jemand nicht schon selber draufgekommen sein sollte: Das Ministerium ist die Legislative, die die Rahmenbedingungen festlegen muss, bevor die Gesundheitsämter als Exekutive diese kontrollieren können. Anders ausgedrückt, wenn das Bundesgesundheitsministerchen Testcenter haben will, weil er dem irrigen Glauben verfallen ist, so einen Einfluss auf das Pandemiegeschehen nehmen zu können, dann sollte er den Gesundheitsämtern wenigstens Randbedingungen an die Hand geben wie und was zu kontrollieren ist, um die Betrüger finden zu können. Da hatte der gemeine Bauer, beziehungsweise die Bezirkstribunale im finsteren Mittelalter deutlich mehr Vorgaben vom zuständigen Generalinquisitor an die Hand bekommen, wie man eine Hexe ausfindig macht: Rote Haare, macht Kühe krank und schwimmt im Wasser gefesselt trotzdem stets oben.

Während ich mich gestern Abend, ob dieser gequirlten Scheiße inzwischen auf dem Boden zusammengekrümmt hatte und wimmernd hin- und herwiegte, machten die anderen Gäste bei Anne Will dagegen keine Anzeichen Jens Spahn zu widersprechen. Im Gegenteil, Christian Lindner kam mir eher vor, wie der Anwalt des Bundesgesundheitsministers, der dessen Rolle im Betrugsskandal verteidigte und nur ein paar gutgemeinte Ergänzungsvorschläge beizutragen hatte (Anm.d.Red.: Wen wunderts? Schließlich hat Lindner jahrelang bei Spahn zur Untermiete gewohnt und wenn man noch eine Chance auf eine Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl haben will, hält man sich sowieso besser mit Kritik zurück).

Im Zusammenhang mit den Betrügereien bei der Abrechnung wurde bei Anne Will dann notgedrungen endlich einmal eines meiner Steckenpferde angesprochen und heute dann auch fleißig in den Medien aufgegriffen: Qualität und Zielgerichtetheit von Schnelltests und ihr fataler Einfluss auf die Inzidenzen. Setzen wir mal für einen kurzen Moment voraus, es wäre ein sinnvolles Treiben, also sowohl der Kampf der katholischen Kirche gegen die Häresie wie auch der Kampf der Bundesregierung gegen Naturgewalten wie eben eine Pandemie. In beiden Fällen bezweifle ich sowohl einen altruistischen Antrieb der Protagonisten als auch einen signifikanten Einfluss auf das Geschehen (Anm.d.Red.: Weder hat der Papst seinerzeit abweichende Glaubensgrundsätze eliminiert, noch hat die Bundesregierung eine angebliche dritte Welle besiegt. Auch diese Mär, die Bundesnotbremse hätte die dritte Welle besiegt, ließ Lindner bei Anne Will gestern dem Bundesgesundheitsminister durchgehen und hat erst heute im Interview mit dem Nachrichtensender ´Welt´ widersprochen).  Wenigstens aber sollte man meinen, dass sich in Sachen Ausbildungsqualität das 21. Jahrhundert gegenüber dem finsteren Mittelalter durchsetzen würde. Aber auch hier muss man zerknirscht zugeben, dass wahrscheinlich jeder Aushilfsfolterknecht seinerzeit besser instruiert war als ein durchschnittlicher Corona-Testabnehmer heutzutage (Anm.d.Red.: Faktisch ist diese Vermutung schlecht nachprüfbar. ´Falsch positive Schnelltests auf Corona´ werden mit bis zu 50% angegeben, während Überlieferungen zu ´falsch positiver Folter auf Hexe´ gegen Null tendieren. Ich gebe zu, der Vergleich hinkt etwas, zumal ein positiver Schnelltest mit einem PCR-Test verifiziert wird, während mögliche Hinweise auf eine Fehlinterpretation des Inquisitors mit der Hexe umgehend verbrannt wurden). Das Thema ist nicht neu und die Tatsache, dass unprofessionell entnommene Proben zu falsch negativen Schnelltestungen führen, dürfte die wirklichen Inzidenzen weit höher liegen lassen als stets vom RKI angegeben. Da aber gleichzeitig nur positive Schnelltests einen PCR-Test nach sich ziehen, der dann in die Inzidenzberechnung eingeht, hat dieser Effekt des zielgerichteten Testens dem anderen Problem entgegengewirkt. Genau das Phänomen, dass ich seit Monaten Gebetsmühlen-artig wiederhole: Da beide Effekte nicht messbar sind, kann man den Inzidenz-Wert und damit die Bundesnotbremse in der Pfeife rauchen.

Besonders zynisch ist es also, wenn Jens Spahn, nun ausgerechnet diese Fakten nutzt, die er bei der Kritik am Inzidenz-Wert stets so famos ignorieren konnte. Laut ihm sei der entstandene Schaden bei den Betrügereien rein finanzieller Natur, da ausschließlich negative Schnelltests überhöht gemeldet wurden (Anm.d.Red.: Wen wundert es, denn Positive hätte man dem Gesundheitsamt melden müssen). Diese gingen schließlich nicht in die Inzidenzen ein. Niemand in der Runde bei Anne Will hat sich beschwert, dass genau hier der Hase im Pfeffer, beziehungsweise die Inzidenz im Argen liegt.

Ich habe längst aufgegeben mich zu fragen, was der Jens Spahn noch verbocken muss, bevor er mit einem veritablen Tritt in den Hintern aus dem Amt gejagt wird (Anm.d.Red.: Es gibt meinen Recherchen nach noch keinen Präzedenzfall, bei dem das Mitglied einer Minderheit aus dem Amt gejagt wurde. Eventuell befürchtet man in der CDU-Führung, Jens Spahn würde den Trumpf ziehen, den auch der weniger gesetzestreue Migrant mit größtem Erfolg anwendet, jedes Mal, wenn er von der Polizei wegen Verstößen gegen geltendes Recht belangt werden soll: ´Das macht ihr doch nur, weil ich Ausländer bin!`) . Allerdings ist Wahlkampf und das wäre sicher schädlich für die CDU und darüber hinaus müsste man sich die Frage dann auch schon bei anderen Bundesministerien in der Geschichte der Pandemie stellen. Ich möchte nur an das glorreiche Versagen des Finanz- und Wirtschaftsministeriums erinnern, die bereits zu Beginn der Pandemie die Hilfen für Selbstständige gern und großzügig an libanesische Clans ausgezahlt hatten (Anm.d.Red.: Siehe mein Blog vom 27.06.20, `Money for nothing´).

 

Apropos arabische Clans. Wir haben heute viel über die Idioten geredet, die solcherlei Betrug durch ihre Inkompetenz ermöglicht haben. Morgen kommen wir dann zu den Betrügern selbst und da es schon spät ist…Schönen Abend!